Wohnungsbau in der Krise

Die alarmierenden Trends im deutschen Wohnungsbau lassen derzeit wenig Raum für Optimismus. Die Zahl der Baugenehmigungen geht drastisch zurück, und der ifo-Geschäftsklimaindex ermittelt für die Wohnungsbranche den schlechtesten gemessenen Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991.

Angesichts dieser prekären Situation bietet eine aktuelle Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) e. V.  eine umfassende und aufschlussreiche Analyse der gegenwärtigen Rahmenbedingungen sowie der Herausforderungen und Chancen im Wohnungsbau.

Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen sank von Januar bis Juli 2023 um 28 Prozent; dies bedeutet einen absoluten Rückgang auf 156.200 Wohnungen. Das Ziel der Bundesregierung von 400.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr rückt somit in weite Ferne. Hinzu kommen steigende Stornierungsquoten bei Baufirmen und ein Mangel an Aufträgen, über den im Rahmen der Erhebung zum letzten ifo-Geschäftsklimaindex 46,6 Prozent und somit fast die Hälfte der Baufirmen klagten. Dies hat auch negative Auswirkungen auf den gesamten Hochbau in Deutschland, der im August 9,4 Prozent weniger neue Aufträge verzeichnete als im Vorjahr.

Aktuelle Kosten- und Mietpreissituation im Überblick

Die hohen Baukosten, verstärkt durch steigende Zinsen und zusätzliche staatliche Auflagen, haben maßgeblich zum aktuellen Rückgang des Wohnungsneubaus beigetragen, denn die Finanzierbarkeit des Wohnungsbaus bleibt eine zentrale Frage. Die durchschnittlichen Erstellungskosten inklusive Grundstückskosten in deutschen Großstädten liegen laut ARGE-Studie aktuell bei 5.148 Euro pro Quadratmeter. Dieser Betrag setzt den Maßstab für die Mietpreise, die für die Finanzierung solcher Bauvorhaben abgerufen werden müssen. Bei frei finanzierten Projekten müssen Eigentümer monatliche Kaltmieten von mindestens 17,50 Euro pro Quadratmeter verlangen.

Herausforderungen: Regulierungen und Nachhaltigkeitsziele

Jenseits der reinen Kostenfaktoren ergeben sich weitere Herausforderungen durch regulatorische Bedingungen. Die große Verunsicherung durch das Heizungsgesetz und die steigende Anzahl von Stornierungen von Bauvorhaben unterstreichen die Schwierigkeiten, die durch Regulierungen entstehen können. Baurechtliche Vorgaben, Umweltstandards und lokale Auflagen können den Bau- und Vermietungsprozess erheblich verkomplizieren. Insbesondere für private Eigentümer und kleine Vermieter dürften diese Faktoren zu erheblichen Erschwernissen führen. Die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen und umweltfreundlichen Standards stellen zusätzliche Herausforderungen dar.

Zukunftsperspektiven: demografische und technologische Chancen

Trotz der vielschichtigen Herausforderungen, die durch die aktuellen Daten des ifo-Instituts und die sinkende Zahl der Baugenehmigungen unterstrichen werden, bietet der Wohnungsmarkt auch Chancen. Die demografische Entwicklung in Deutschland, insbesondere der Zuzug in Ballungsräume, schafft einen anhaltenden Bedarf an Wohnraum. Zudem könnten technologische Innovationen, besonders wichtig in Zeiten von Auftragsmangel, eine Möglichkeit bieten, die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Für die Nutzung dieser Chancen wären allerdings staatliche Anreize und vereinfachte Baugenehmigungsverfahren erforderlich.

Einordnung der Ergebnisse

In Anbetracht der drastischen Einbrüche im Wohnungsbau, die durch das ifo-Institut und die aktuellen Statistiken belegt sind, liefern die Ergebnisse der ARGE-Studie eine wichtige Orientierungshilfe. In der derzeitigen Situation muss der Fokus klar auf der Finanzierbarkeit von Wohnraum liegen. Zudem dürfen Bauvorhaben nicht durch weitere regulatorische Maßnahmen erschwert und verteuert werden.

Jakob Grimm, Referent für Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik Haus & Grund Deutschland

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