Wohnimmobilienfinanzierung – Wie hoch ist das Risiko?

Die Zinsrisiken haben in den letzten Jahren zugenommen, allerdings nur moderat. Auch das Kreditvolumen für Wohnungskäufe ist gestiegen. Dieser Anstieg fiel mit Blick auf die Entwicklung der Immobilienpreise und der Zinsen jedoch erwartungsgemäß aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Risikoanalyse für die Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Mit dieser Studie reagiert das Wirtschaftsinstitut auf die Forderung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), das Risiko durch stärkere Eigenkapitalunterlegungen der Banken einzudämmen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat jüngst ihre Anleihenkäufe beendet und erhöhte den Leitzins im Juli auf 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass die Zinsen erstmals seit einem Jahrzehnt wieder angehoben werden, um der Inflation in Europa zu begegnen. Zunächst handelt es sich hierbei zwar um eine sehr moderate Erhöhung, aber mit weiteren Zinssteigerungen ist noch im Laufe dieses Jahres zu rechnen. Bei den Bauzinsen hat sich die Situation sogar schon früher verändert. Hier stiegen die Zinsen für Darlehen mit einer zehnjährigen Zinsbindung seit Jahresbeginn um etwa 300 Prozent von fast einem auf nunmehr drei Prozent an. Diese Entwicklung liegt darin begründet, dass die Bauzinsen nicht vom Leitzins der EZB abhängen, sondern von der Entwicklung der Bundesanleihen.

Wie risikoreich ist die Kreditvergabe?
Von 2010 bis 2020 stieg der Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes um 65 Prozent. Diese enormen Preissteigerungen wurden bisher allerdings durch die niedrige Zinsentwicklung abgefedert. Die aktuelle Situation wirft daher die Frage auf, wie risikoreich die Kreditvergabe zur Finanzierung von Wohnimmobilien in den vergangenen Jahren war und ob die reelle Gefahr einer Immobilienblase besteht, die im Zuge der steigenden Zinsen nach Ablauf der aktuellen Zinsbindungen zu platzen droht. Nachdem der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) schon Ende letzten Jahres warnte, dass die Finanzmarktstabilität aufgrund der Entwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt gefährdet sein könnte, hat Anfang des Jahres auch die BaFin verkündet, dass Banken Wohnimmobilienkredite ab dem Jahr 2023 mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen.

IW sieht keine Parallelen zum Immobiliencrash in den USA
Aufgrund dieser Forderungen ging das IW der Frage nach, ob die geplanten Eingriffe aufgrund der Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes überhaupt zu rechtfertigen sind. Die starken Preissteigerungen bei Immobilien in Deutschland, gepaart mit einer langen Phase niedriger Zinsen, die aktuell endet, erinnert an die Situation in den USA Mitte der 2000er Jahre. In den 1990ern erlebte der US-Immobilienmarkt einen starken Boom aufgrund niedriger Zinsen und eines stabilen Arbeitsmarktes. Als die Leitzinsen in den 2000er Jahren aufgrund wachsender Inflationssorgen angehoben werden mussten, gerieten viele Haushalte mit einer geringen Bonität in einen Zahlungsverzug. Die Sorge einer ähnlichen Entwicklung auf dem deutschen Wohnungsmarkt sehen die Experten des IW derzeit aufgrund des resilienten deutschen Immobilienfinanzierungssystems allerdings nicht. Ein Risiko besteht erst dann, wenn die Kredite nicht mehr getilgt werden können und zugleich die Preise für Immobilien deutlich absinken, sodass die Restschuld des Kredits nicht durch den Verkauf gedeckt werden kann.

Verhältnis Kreditvolumen zum BIP
Um das Risiko für die Wohnimmobilienfinanzierung zu bewerten, ist das Verhältnis des Kreditvolumens zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, ein guter erster Indikator. Nehmen die Kreditvolumina überproportional zur Wirtschaftsleistung zu, könnte das ein Hinweis auf eine mögliche Blase sein. Dieses Verhältnis sollte zudem mit der Zins- und Immobilienpreisentwicklung verglichen werden. Da der externe Schock durch die Corona-Pandemie allerdings zu einem deutlichen Rückgang des BIP führte und somit die Kreditvolumen-BIP-Relation überproportional anstieg, sinkt deren Aussagekraft.

Mithilfe eines Panel-Modells verglichen die Autoren daher die Entwicklung der Relation aus Kreditvolumen und BIP in Deutschland mit der Entwicklung in zwölf anderen westeuropäischen Ländern. Die Analyse zeigt, dass sich Deutschland bei der Relation im Mittelfeld bewegt und somit die Kreditvergabe hierzulande im Vergleich zu anderen Ländern nicht überdurchschnittlich zugenommen hat. Auch stieg in den vergangenen zehn Jahren der Anteil langfristiger Zinsbindungen, was theoretisch dazu führt, dass ein größerer Teil des Kredits getilgt wird, bevor die Zinsen angepasst werden. In diesem Fall sinkt der Beleihungsauslauf, was auch das Risiko minimiert. Diese zu erwartende Entwicklung blieb allerdings aus, da der Beleihungsauslauf aufgrund wachsender Fremdkapitalquoten im vergangenen Jahr deutlich anstieg und mitunter bei über 100 Prozent lag, was als Indikator für ein erhöhtes Risiko verstanden werden muss. Allerdings stiegen im selben Zeitraum auch die Tilgungssätze an.


Einkommen überproportional gestiegen
Die Untersuchung zeigt, dass aktuell steigende Sollzinsbindungen und Anfangstilgungen mit geringeren Eigenkapitalquoten der Käufer einhergehen. Dieser Umstand erschwert die Risikoeinschätzung. Das IW erweitert die erhobenen Daten daher um die Einkommen der Kreditnehmer und stellt fest, dass diese überproportional angestiegen sind. Dies führt dazu, dass die durchschnittliche Kreditbelastungsquote auch bei gestiegenen Immobilienpreisen weiterhin deutlich unter der mittleren Mietbelastungsquote liegt. Allerdings belegen diese Zahlen auch, dass sich viele Haushalte mit einem mittleren Einkommen aufgrund von fehlendem Eigenkapital keine eigene Immobilie mehr leisten können.

Fazit
Zusammenfassend stellt das Wirtschaftsinstitut fest, dass die Risiken einer Immobilienfinanzierung zugenommen haben. Auch sind aufgrund steigender Zinsen die Risiken bei der Anschlussfinanzierung gewachsen. Zudem steigt für viele Haushalte aufgrund geringerer Eigenkapitalquoten der Beleihungsaufwand. Dennoch verläuft das Kreditvolumen bisher erwartungsgemäß. Zu einer wirtschaftlichen Überlastung kommt es daher nur, wenn die Preise der Immobilien deutlich fallen, die Einkommen sinken und die Zinsen ansteigen. Von einem extremen Einbruch der Preise gehen Experten derzeit jedoch nicht aus. Wissenschaftler der Deutsche Bank Research rechnen beispielsweise mit einem Zyklusende der Preise für Wohnimmobilien in dieser Dekade. Aufgrund von Zuwanderung, Inflation und höheren Sanierungsanforderungen kommt es wahrscheinlich sehr bald zu einer Preiskorrektur. Einen Crash erwarten die Experten der Deutschen Bank jedoch nicht.

Jakob Grimm, Referent Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik Haus & Grund Deutschland

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