Starkregen und Hochwasser: Extremwetterereignisse werden häufiger und intensiver auftreten

Dipl.-Ing. Jens Hasse ist Teamleiter Klimaanpassung und Stadtökologie am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Köln. Im Interview erläutert er, welche drei Arten von Überflutungen es gibt, warum alle Hauseigentümer sich Gedanken machen sollten, ob ihr Haus ausreichend gewappnet ist und welche baulichen Schutzmaßnahmen es gibt.

Worauf müssen sich Hauseigentümer in puncto Wetterereignisse künftig einstellen?

Mit Blick auf die Wetterereignisse der vergangenen 15 Jahre und die aktuellen Klimaprojektionen muss man sagen: Hauseigentümer müssen sich intensiv mit dem Thema Starkregen und Hochwasser auseinandersetzen. Extremwetterereignisse können jeden treffen, egal ob Sommergewitter oder Wintersturm. Genaue Vorhersagen sind weiterhin äußerst schwierig zu treffen. Aber generell deuten die Daten darauf hin, dass Extremwetterereignisse in einigen Teilen Deutschlands häufiger und intensiver auftreten werden. Das bedeutet auch, dass die statistischen Werte angepasst werden müssen: Was früher ein 100-jähriges Extremwettereignis war, könnte künftig ein 50-jähriges oder sogar ein 30-jähriges Ereignis sein.

Welche Gründe gibt es für die Gefährdung von Gebäuden?

Auch wer nicht in Hochwassergefahrengebieten lebt, kann künftig stärker betroffen sein. Denn intensivere Regenereignisse heißt, dass die abfließenden Wassermengen stark zunehmen können, sodass auch ein bislang unauffälliges kleines Bächlein hinterm Haus zu einem Problem werden kann. Neben über die Ufer tretenden Gewässern kann aber auch ansteigendes oberflächennahes Grundwasser, das in den Keller eindringt, ein tückisches Problem sein. Solche Gefährdungen können sich beispielsweise aufgrund von Dauerregen einstellen, aber auch bei Flusshochwassern und durchlässigen Kiesböden. Die dritte Ursache für Hochwasser- oder Überflutungsschäden am und im Haus kann ein Rückstau aus der Kanalisation sein. Wenn große Regenwassermassen von der Straße die Kanalisation temporär überlasten, kann sich Abwasser in Hausanschlussleitungen rückstauen – und tritt aus Toiletten, Waschbecken oder Waschmaschinen im Kellerbereich oder Souterrain des Hauses aus. Kurz gesagt: Hochwasser- und Starkregenvorsorge ist für alle Standorte wichtig, nicht nur im direkten Umfeld von Flüssen und Bächen.

Stichpunkt öffentliche Vorsorge: Wie können Kommunen die Gefahr eindämmen, und was machen diese bereits in Sachen Hochwasserprävention?

Zunächst einmal ist die Information der Bürger eine wichtige Aufgabe der Kommunen: Überall in Deutschland gibt es Hochwassergefahrenkarten, die je nach Region über die Gefahr und Wahrscheinlichkeit für Flusshochwasser informieren. Diese sind im Internet abrufbar oder über die zuständigen Behörden wie die Landesumwelt- oder Wasserwirtschaftsämter. Ebenfalls haben bereits viele Kommunen Starkregengefahrenkarten erstellen lassen, die die möglichen Fließwege, Fließgeschwindigkeiten, Überflutungsflächen und -höhen durch Starkregenabflüsse prognostizieren. Ganz wichtig ist auch die Sensibilisierung für zum Teil überlebenswichtige Verhaltensregeln, die auch mir am Herzen liegt. Ein Beispiel: Auf gar keinen Fall in den Keller gehen, wenn dieser überflutet werden könnte, um beispielsweise einen Gegenstand zu retten oder noch schnell das Auto aus der Garage fahren. Es besteht akute Lebensgefahr. Der Rückweg könnte versperrt sein, oder die Elektroinstallation steht unter Wasser, was zu tödlichen Stromschlägen führen kann. Die Kommunen ermutigen wir, als Teil ihrer Vorsorgeaktivitäten zum Beispiel durch regelmäßige Hauswurfsendungen über Verhaltensregeln bei Hochwasser oder Starkregen zu informieren.

Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen die Kommunen bei der Hochwasserprävention?

Die Überflutungs- und Starkregenvorsorge ist natürlich zunächst einmal Sache der Kommunen, nicht des einzelnen Hauseigentümers. Sie unterliegen zum Beispiel bestimmten Verpflichtungen zum Bau von Hochwasserschutzeinrichtungen in der Nähe von größeren Flüssen. Auch die Renaturierung von Fließgewässern gehört zu den Schutzmaßnahmen. So erhalten die Gewässer mehr Raum, um sich bei Hochwasser auszubreiten. Neben dem Flusshochwasser empfehlen wir den Kommunen aber auch, in den anderen beiden Hochwasserarten – hohe Grundwasserstände und Rückstau aufgrund von Starkregen – proaktiv tätig zu sein. Das tun sie auch – zum Beispiel mit Informationsblättern zum Einbau und der Unterhaltung von Rückstauklappen in allen Gebäuden, den die Kommunen den Eigentümern seit vielen Jahren dringend ans Herz legen. Ein weiteres Beispiel ist die Schaffung und der Erhalt von Überflutungsflächen entlang großer und kleiner Gewässer – und in dem Zuge keine oder nur unter bestimmten Auflagen neue Baugebiete auf solch relevanten Flächen auszuweisen. Aber: Die Eigenvorsorge der Gebäudeeigentümer, der Bewohner und anderer Nutzer ist eine sehr wichtige Ergänzung zum kommunalen Hochwasser- und Starkregenschutz.

Das bringt uns zum Stichpunkt private Vorsorge: Wie kann der Eigentümer sein Haus schützen?

Das reicht von grundlegenden Sachen wie der Frage, was man eigentlich im Keller lagern muss und was nicht, über die Elektroinstallation, die besser nicht im Keller oder in Bodennähe installiert sein sollte, bis hin zu funktionierenden Rückstauklappen in den Grundleitungen, die jeder eingebaut haben und regelmäßig warten lassen sollte. Natürlich ist es im Neubau viel leichter, den Hochwasser- oder Überflutungsschutz gleich mitzudenken, aber auch im Bestand gibt es einige Möglichkeiten, die Hauseigentümer umsetzen können und sollten.

Welche sind das konkret?

Für Keller gibt es zwei grundlegende Schutzstrategien: Zum einen können Kellerzugänge wie Außentreppen, Lichtschächte und Garageneinfahrten durch eine Schwelle oder Aufkantung von vielleicht 10 Zentimetern gesichert werden. Das hilft bereits bei vielen Starkregenereignissen. Bei höheren Wasserständen, die diese Barriere überschreiten, können dann wasserdichte Fenster helfen. Da gibt es diverse technische Lösungen, bei denen sich zum Beispiel die Fenster automatisch verschließen, wenn der Wasserpegel im Lichtschacht einen bestimmten Stand erreicht hat.

Für den Fall eines Kanalrückstaus sollten Toiletten, Waschbecken oder Waschmaschinen, die unterhalb des Straßenniveaus beziehungsweise des Überflutungswasserstandes liegen, dringend durch Rückstausicherungen gesichert werden. Eigentümer sind für ihren eigenen Rückstauschutz verantwortlich. Grundsätzlich stehen hierzu zwei technische Möglichkeiten zur Verfügung: Rückstauverschlüsse verhindern, dass das zurückdrückende Wasser in das Gebäude gelangt. Diese Klappen werden seit Jahrzehnten regelmäßig eingebaut, können aber mit entsprechendem Aufwand auch in bestehenden Hausentwässerungsleitungen nachgerüstet werden. Auch Abwasserhebeanlagen, die im Normalfall Abwasser in die Kanalisation pumpen, können als Sicherung gegen Rückstau in der Kanalisation eingesetzt werden. Wichtig ist aber: Beide Arten der Rückstausicherung müssen regelmäßig gewartet werden, sonst sind sie im Ernstfall nutzlos.

Eine wirksame Maßnahme gegen Durchfeuchtungen der Kellerwände aufgrund hoher Grundwasserstände oder drückendem Wasser nach längeren Regenfällen ist die Gebäudeabdichtung mit einer wasserundurchlässigen Bitumenschicht, die sogenannte schwarze Wanne, die in Kombination mit einer außen liegenden Kiesdrainage sehr wirksam ist, Keller trocken zu halten. Im Gegensatz zur sogenannten weißen Wanne, bei der im Neubau das Kellergeschoss als wasserdichter Betonkasten ausgeführt wird, kann die schwarze Wanne auch im Bestand nachträglich zum Einsatz kommen. Dabei werden die betroffenen Gebäudebereiche freigelegt, nach Trocknung der Kellerwände mit Bitumen- oder Kunststoffdichtungsbahnen abgedichtet und durch eine Kiesdrainage ergänzt.

Für Eigentümer ist es schwierig abzuschätzen, welche Maßnahmen sinnvoll und zugleich bezahlbar sind. Wie können sie sich informieren?

Leider ist dies natürlich immer die sehr individuell zu beantwortende Frage, wie viel Geld man in die Hand nehmen möchte beziehungsweise kann, um Vorsorge zu betreiben und sein Eigentum und sich selbst vor Schäden durch Hochwasser, Starkregen oder hohes Grundwasser zu schützen. Außerdem gilt es abzuwägen, was bei den örtlichen Gegebenheiten sinnvoll ist. Unabhängige Fachberatungsangebote wie etwa der Hochwasservorsorgeausweis oder der Hochwasser-Pass des Hochwasserkompetenzcentrums Köln unterstützen hier die private Bauvorsorge. Auch die Kommunen selbst, die Verbraucherzentralen und die Bundesministerien beraten zum Thema. Umfassende Informationen bietet zum Beispiel die Hochwasserschutzfibel des Bundesbauministeriums. Hier finden Eigentümer noch viele weitere Tipps, wie sie ihr Haus schützen können. Ein genereller Tipp ist, das Thema Hochwasserschutz im Zuge von Sanierungen gleich mitzudenken. Mein Fazit: Eine wesentliche Reduzierung der Schadensrisiken durch gute Eigenvorsorge ist möglich, eine hundertprozentige Absicherung gegen die Naturgewalt Wasser ist aber sicherlich nicht möglich.

Weiterführende Informationen

Der Hochwasser-Pass des Hochwasserkompetenzcentrums Köln bietet eine fundierte Risikoeinschätzung für Gebäude sowie Informationen zum Selbstcheck: www.hochwasser-pass.info

Der Hochwasservorsorgeausweis hilft, die konkrete Überflutungsgefährdung für ein Gebäude zu ermitteln: www.bdz-hochwassereigenvorsorge.de

Die Hochwasserschutzfibel des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen informiert umfassend und gibt konkrete Tipps für Schutzmaßnahmen: www.fib-bund.de/Inhalt/Themen/Hochwasser/2022-02_Hochwasserschutzfibel_9.Auflage.pdf

Das Interview führte Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland

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