Sickereffekt durch Neubau – Guter Wohnungsbau, schlechter Wohnungsbau

In der Debatte um den Neubau von Wohnungen stehen sich immer wieder zwei Positionen unversöhnlich gegenüber: Die Verfechter des Sozialwohnungsbaus verdammen den frei finanzierten Wohnungsbau als Luxus, der nicht die Frage nach bezahlbarem Wohnraum löse. Die Gegenposition nimmt für sich in Anspruch, dass durch den Wohnungsbau im hochwertigen Segment auch in preisgünstigen Segmenten Wohnungen bezugsfrei werden würden. Dies nennt man Sickereffekt.

Eine umfassende empirische Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur Wirkung von Umzugsketten innerhalb lokaler Wohnungsmärkte weist nun die damit verbundenen Sickereffekte nach.

Studie untersucht tatsächliche Umzugsketten
Für die Studie wurden Umzugsbewegungen in den Städten Bremen, Köln, Leipzig und Nürnberg analysiert und zu Umzugsketten verknüpft, Inserate auf Internetplattformen ausgewertet, Haushalte zu Umzugsmotiven und Wohnkosten sowie Wohnungsunternehmen und private Eigentümer zu ihren Vermietungsstrategien befragt. Aus diesem Datenbestand konnten die Forscher Modelle der Versorgungsketten und der tatsächlichen Verläufe der Umzugsketten entwickeln.

Eine Neubauwohnung macht bis zu 1,5 Altbauwohnungen frei
Durch den Neubau von einer Wohneinheit werden je nach untersuchter Stadt circa 0,7 bis 1,5 weitere Wohneinheiten im Bestand freigezogen – dies ist das zentrale Ergebnis der durchgeführten Analysen zur Versorgungswirkung durch Umzugsketten. Dabei ist die Länge der Umzugsketten je nach Stadt sehr unterschiedlich. In engen Verflechtungsräumen, wie beispielsweise in der Metropolregion Nürnberg mit den unmittelbaren Nachbarn Fürth, Erlangen und Schwabach, reißen diese Ketten bald ab, da Umzüge schnell über das eigentliche Stadtgebiet hinausgehen.

Auch der Gebäudetyp ist ein wichtiger Einflussfaktor auf die Versorgungswirkung. Beim Neubau von Eigentumsobjekten treten größere Versorgungseffekte auf als beim Neubau von Mietobjekten. Überdurchschnittliche Versorgungseffekte sind beim Neubau von Genossenschaftswohnungen, Baugruppen-Projekten, aber auch beim Einfamilienhausbau zu beobachten, so die Studienmacher.

Angespannter Wohnungsmarkt senkt Versorgungswirkung
Die Forscher betonen zudem, dass die Intensität und Reichweite der Umzugsverflechtungen stark von der Wohnungsmarktsituation abhängen. In einem relativ entspannten Wohnungsmarkt würden die vom Wohnungsneubau ausgehenden Umzugsverflechtungen sehr viel mehr zu einer ausgeglichenen Wohnungsversorgung beitragen. Die Forscher resümieren: Je länger sich Engpässe im Wohnungsmarkt aufbauen und verschärfen, umso schlechter lässt sich der Mangel an günstigem Wohnraum mit hochpreisigem Wohnungsneubau bekämpfen. Und je früher eine Angebotsausweitung mittels Neubaus zustande kommt, umso mehr kann diese im oberen Segment erfolgen. Hauptgrund dafür ist, dass in angespannten Wohnungsmärkten auch in niedrigpreisigen Segmenten bei Neuvermietung höhere Mieten gefordert werden.

Fazit
Die Studienergebnisse machen deutlich, wie wichtig eine vorausschauende Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik auf kommunaler Ebene ist. Denn die Zyklen am Wohnungsmarkt lassen sich zwar nicht vollständig eliminieren, aber ganz sicher glätten. Mit der Forderung von Haus & Grund Deutschland nach einer Bauland-Planungspflicht sollen Kommunen künftig schneller zum Handeln bewegt werden.

Matthias zu Eicken
Referent Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik Haus & Grund Deutschland

2102 02pw – kl1