Photovoltaik: Nicht nur auf dem Dach möglich

Eine bauwerkintegrierte Photovoltaik-Anlage bietet vielfältige Möglichkeiten, Solarstrom zu produzieren – und kann auch weitere Zwecke erfüllen.

Nicht jedes Dach eignet sich für die Installation einer Photovoltaik-Anlage – sei es aufgrund von Verschattungen, einer reinen Nordausrichtung oder anderen Umständen. Was viele jedoch nicht wissen: Nicht nur das Dach, auch die Fassade kann sich für die Stromerzeugung mit Solarmodulen eignen.

Großes Potenzial

Solch eine Stromerzeugung in der Vertikalen wird auch als bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) bezeichnet und bietet großes Potenzial: „Bei bauwerkintegrierter Photovoltaik handelt es sich um Bauelemente, die zusätzlich zur Stromgewinnung klassische Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz oder auch architektonische Funktionen übernehmen“, erklärt Tilmann Kuhn vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

Besonders an der Fassade erfüllen BIPV-Komponenten Aufgaben, die deutlich über die Stromgewinnung hinausgehen. So können vollständig in die Fassade integrierte Solarmodule im transparenten und im nicht transparenten Bereich, aber auch als vorgehängte hinterlüftete Fassade eingesetzt werden. Wenn die BIPV-Komponenten Funktionen der Gebäudehülle übernehmen, können die Investitionskosten von konventionellen Bauteilen eingespart werden. Wird zudem der erzeugte Strom im Haus genutzt und der teure Strombezug aus dem Netz vermieden, mindert das zusätzlich die noch recht hohen Anschaffungskosten der BIPV.

Transparente oder lichtundurchlässige Module

Die Anwendungsmöglichkeiten der BIPV sind vielfältig, heißt es auch beim Bundesverband Flachglas (BF): In Brüstungen können lichtundurchlässige Photovoltaik-Glasmodule mit verdeckten Solarzellen zum Einsatz kommen. Transparente Module mit sichtbaren PV-Zellen sind zum Beispiel für Sichtglasbereiche des Gebäudes wie Fenster, Oberlichter, Sonnendächer oder Carports geeignet. Dabei sind Modulgröße und Anordnung der Solarzellen veränderbar: Solaraktive Fassadenverglasungen können so angeordnet werden, dass sie optimal mit dem Sichtkomfort harmonieren.

Zudem verbessern Solarzellen an der Fassade die Temperierung im Innern. Denn in bestimmten Gebäudeteilen, zum Beispiel in Lichthöfen, kann zu starke Sonneneinstrahlung zu übermäßig viel Wärmeerzeugung führen. In solchen architektonischen Situationen drängt sich BIPV-Solarglas förmlich auf, um die Energiedurchlässigkeit der Scheiben zu reduzieren. Das spart Kosten für die Klimatisierung, während nebenbei Strom produziert wird.

Interessante Ästhetik

Auch bei der Ästhetik sind keine Kompromisse nötig: „Die gebäudeintegrierte Photovoltaik lockert die Fassade auf und ist ein echter Hingucker nicht nur für die Außenwand, sondern auch für Brüstungen oder Balkone“, erklärt BF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs. Das Fraunhofer ISE hat zum Beispiel eine Strukturschicht entwickelt, die Photovoltaik-Modulen eine intensive Farbgebung verleiht. Dabei behalten die Module mindestens 90 Prozent ihrer Effizienz. So können bauwerkintegrierte Photovoltaik-Anlagen farbige Akzente in der Fassadenarchitektur setzen oder – beispielsweise ziegelrot ins Dach integriert – optisch in der Gebäudehülle verschwinden.

Vorteile fürs Stromsystem

Die gebäudeintegrierte Photovoltaik bringt auch wichtige Vorteile für das Stromsystem. Seit Beginn des Jahrtausends wurden Solaranlagen in Deutschland zur Optimierung der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung fast immer in Südausrichtung montiert. Das beschert nun regelmäßig eine geballte Ladung Solarstrom am Mittag und frühen Nachmittag, während er zu Spitzenzeiten des Verbrauchs am frühen Abend fehlt. Dieses Problem lindert die BIPV. Denn in den Morgen- und Abendstunden kann die BIPV im Vergleich zu einem nach Süden orientierten geneigten PV-Dach für eine bessere Stromausbeute sorgen. Ebenso lässt sich im Winter mit einer BIPV ein höherer Ertrag an Südfassaden erzielen.

Angesichts des starken Wachstums am Wärmepumpenmarkt und dem damit einhergehenden steigenden Bedarf an Strom für die Wärmeerzeugung am Nachmittag und frühen Abend hat die BIPV beste Chancen, eine stärkere Rolle für Deutschlands Unabhängigkeit von Energieimporten zu spielen. „Es handelt sich um ein wichtiges, bislang leider nur ansatzweise genutztes Potenzial“, erklärt BF-Geschäftsführer Grönegräs.

Weitere Informationen zum Thema BIPV sowie einen Leitfaden finden Interessierte unter: bipv-bw.de

Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland

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