Online-Eigentümerversammlungen

Die Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen ist seit 2020 möglich. Der nächste Schritt könnte sein, diese Veranstaltungen auch komplett digital durchzuführen – wenn die Gemeinschaft dies wünscht.

Herkömmliche Eigentümerversammlungen scheinen wie ein Relikt aus alter Zeit: Alle Teilnehmer sitzen zusammen und stimmen gemeinsam über die anstehenden Entscheidungen in der Gemeinschaft ab. Doch was früher funktionierte, gestaltet sich seit geraumer Zeit immer schwieriger. Nicht erst Corona hat die Zusammenkunft aller Eigentümer zu einem Problem gemacht. Mit dem Kauf von Eigentumswohnungen zur Altersvorsorge und der häufig damit einhergehenden Vermietung wohnen die Eigentümer nicht mehr zwangsweise vor Ort. Die Anwesenheit und die Bereitschaft an der Teilnahme an Eigentümerversammlungen gestalten sich deshalb schwieriger.

Eigentümerversammlungen sind nicht öffentlich
Für Eigentümerversammlungen galt und gilt das Prinzip der Nichtöffentlichkeit. Das bedeutet, teilnehmen dürfen nur die Eigentümer der Sondereigentumseinheiten oder – zum Teil durch die Teilungserklärung beschränkte – Vertreter. Auch Anwälte oder Architekten werden bei bestimmten Tagesordnungspunkten zugelassen. Der Grundsatz aber lautet: Fremde Personen haben grundsätzlich keinen Zugang zur Versammlung.

Dieser Grundsatz und das gesetzliche Leitbild der Präsenzveranstaltung standen einer digitalen Eigentümerversammlung lange im Weg. Das hat sich mit der Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 2020 geändert.

Online-Teilnahme künftig erlaubt
Mit der WEG-Reform 2020 wurde die Möglichkeit geschaffen, online an Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Laut § 23 Absatz 1 Satz 2 WEG kann die Gemeinschaft beschließen, dass Eigentümer an der Versammlung auch digital teilnehmen und sämtliche oder einzelne Rechte im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Ein Recht zur komplett digitalen Eigentümerversammlung lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Vielmehr soll hier nur der Fall umfasst sein, dass einzelne Eigentümer einer „normalen“ Eigentümerversammlung digital zugeschaltet werden können. Damit bleibt das Leitbild Präsenzveranstaltung gewahrt; wie der Verwalter die Nichtöffentlichkeit auch bei digital Zugeschalteten überprüfen kann, ist fraglich. Dafür muss der online teilnehmende Eigentümer sorgen.

Entwurf des Justizministeriums erwartet
Verwaltervertretern ging diese Regelung folglich nicht weit genug. Sie fordern die Möglichkeit einer komplett digitalen Eigentümerversammlung, wenn die Gemeinschaft dies wünsche. Gerade nach der Corona-Zeit, in der Eigentümerversammlungen oft nicht stattfinden konnten, ist es logische Konsequenz, die Regelung des § 23 Absatz 1 Satz 2 WEG auszuweiten. Gerade in jüngeren Gemeinschaften besteht der Bedarf, sich digitaler aufzustellen. Deswegen arbeitet das Bundesministerium der Justiz bereits an einer Lösung.

Wichtig ist, dass diejenigen Eigentümer, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters keinen Zugang zu technischen Geräten haben, nicht auf der Strecke bleiben. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass zumindest gelegentliche Präsenztreffen einem guten Miteinander förderlich sind. In diesem Zusammenhang muss dann auch diskutiert werden, ob und mit welchem Quorum eine Online-Versammlung beschlossen werden kann. Denn die Entscheidung, eine Eigentümerversammlung digital durchzuführen, sollte immer den Eigentümern selbst obliegen.

Letztlich müssen sich die Verwaltung und die Gemeinschaft – schon jetzt – auch darüber Gedanken machen, wie die technische Umsetzung solcher digitalen Versammlungen oder auch nur Zuschaltungen funktionieren soll und wie damit umzugehen ist, wenn Rechte aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht ausgeübt werden können. Solange es keine gesetzlichen Regelungen gibt, sollte die digitalisierte Wohnungseigentümergemeinschaft hier Vereinbarungen treffen.

Fazit
Diese Neuerung der WEG-Reform war ein Quantensprung und ging eindeutig in die richtige Richtung. Die Digitalisierung hält Einzug in alle Bereiche des Lebens; auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich nicht auf ewig dagegen verschließen. In anderen Worten: Reine Online-Versammlungen sind die Zukunft. Eigentümer werden in diese Möglichkeiten hineinwachsen und sie auch nutzen. Bis dahin dürfen aber die Interessen der Eigentümer nicht vernachlässigt werden, die sich noch nicht damit anfreunden können. Alle Eigentümer müssen die Möglichkeit haben, an den Versammlungen teilzunehmen.

Julia Wagner, Leiterin Zivilrecht Haus & Grund Deutschland

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