Nachbarrecht: Ärger mit herüberwachsenden Ästen und Wurzeln

Bäume, Sträucher und Hecken an den Grundstücksgrenzen führen immer wieder zu Konflikten unter Nachbarn. Was ist erlaubt und welche Ansprüche haben Nachbarn, wenn sie sich an der Bepflanzung von nebenan stören?

Die meisten Bundesländer regeln die Grenzabstände von Bepflanzungen zum jeweiligen Nachbargrundstück in ihren jeweiligen Nachbargesetzen. Bei Gehölzen gelten meist geringere Mindestabstände, die oftmals im Verhältnis zu ihrer Höhe geregelt werden. Bei Bäumen gelten größere Mindestabstände, wobei die Höhe des Baums regelmäßig nicht mehr relevant ist.

Nachbar hat Beseitigungsanspruch
Der Nachbar des angrenzenden Grundstücks kann bei Unterschreitung der gesetzlich festgelegten Mindestabstände die Beseitigung verlangen. Wird der Mindestabstand nur deshalb unterschritten, weil beispielsweise das Gehölz die vorgegebene Höhe überschreitet, besteht der Beseitigungsanspruch darin, dass beispielsweise eine Hecke auf das gesetzlich vorgegebene Höchstmaß gekürzt werden muss. Diese Ansprüche können aber ausgeschlossen sein, wenn der Nachbar sich über Jahre nicht an der Unterschreitung des Mindestabstands oder der Wuchshöhe gestört hat. Die konkreten Verjährungsfristen für die Beseitigungsansprüche finden sich ebenfalls regelmäßig in den Landesnachbargesetzen.

Nur in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen gibt es kein landeseigenes Nachbargesetz, konkrete Grenzabstände für Gehölze und etwaige Höhenvorgaben gibt es dort nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Nachbarn vollkommen schutzlos sind. Zwar können Bäume und Sträucher noch an die Grundstücksgrenze gepflanzt werden. Wachsen aber Äste und Wurzeln über die Grundstücksgrenze hinaus, hat der Eigentümer des betroffenen angrenzenden Grundstücks einen Beseitigungsanspruch beziehungsweise ein Selbsthilferecht.

Was ist das Selbsthilferecht?
Wachsen Äste und Wurzeln über die Grundstücksgrenze hinüber, hat der Eigentümer des betroffenen angrenzenden Grundstücks ein Selbsthilferecht, nämlich die Äste und Wurzeln abzuschneiden. Dieses Recht ist in § 910 BGB geregelt. Zunächst muss der Betroffene dem Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen. Des Weiteren müssen die herüberwachsenden Äste und Wurzeln die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch die Äste eines Baums, eines Strauchs oder einer Hecke die Auffahrt zur Garage verengt wird. Die Nachbargesetze der einzelnen Bundesländer können an die Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, zusätzliche Anforderungen stellen. So liegt keine Beeinträchtigung vor, wenn die Äste ab einer bestimmten Höhe in das Grundstück des gestörten Nachbarn hereinreichen.

Grundsätzlich darf der betroffene Nachbar im Wege des Selbsthilferechts die Hecke selbst beschneiden, allerdings nur bis zur Grundstücksgrenze. Sollte er einen weitergehenden Schnitt planen, bedarf es der Erlaubnis seines Nachbarn. Diese muss dann auch die Betretungsbefugnis umfassen. Wird dabei auch der Baum oder der Strauch nachhaltig beschädigt, kann dem Baum- oder Straucheigentümer ein Schadensersatzanspruch (Wiederherstellung) zustehen.

Was beinhaltet der Beseitigungsanspruch?
Neben dem Selbsthilferecht steht dem betroffenen Nachbarn auch ein Beseitigungsanspruch der Eigentumsstörung durch die herüberwachsenden Äste aus § 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB zu. Beide Ansprüche stehen gleichrangig nebeneinander. Der Eigentümer des Baums ist Störer, denn im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks muss er sicherstellen, dass Äste und Wurzeln nicht über die Grundstücksgrenze wachsen.

Wenn die Äste eines Baums, der auf einem anderen Grundstück wächst, das Nachbarhaus beschädigen, liegt eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB vor. Der betroffene Nachbar kann also die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Dies umfasst nicht nur das Entfernen der Äste, sondern auch die anschließende Reparatur des Hauses.

Tipp
Beim Rückschnitt müssen auch naturschutzrechtliche Belange beachtet werden: Zum Schutz nistender Vögel kann es in der Zeit vom 1. März bis 30. September verboten sein, Gehölze zu schneiden oder zu fällen.

Inka-Marie Storm
Chefjustiziarin Haus & Grund Deutschland

2103 03rs – kl1