Mietendeckel: Senat hat Mietern einen Bärendienst erwiesen

Ein Jahr hat es gedauert, bis das Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren entschied und am 15. April 2021 verkündete: Der Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig. Das Land Berlin hätte das Gesetz nicht erlassen dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluss nur mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Land Berlin befugt war, einen solchen Mietendeckel zu erlassen, und dies im Ergebnis verneint. So bewerteten auch schon zahlreiche Rechtsgutachten vor Erlass des Gesetzes diese Rechtsfrage. Zur inhaltlichen Frage, ob die Normen an sich gegen das Grundgesetz verstoßen, hat sich das Gericht nicht geäußert.

Zur Vorgeschichte
Nach Inkrafttreten des Mietendeckels im Februar 2020 hatten 284 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU- und der FDP-Bundestagsfraktion einen Normenkontrollantrag beim Verfassungsgericht eingereicht. Gleichzeitig hatten sowohl eine Berliner Landgerichtskammer als auch ein Berliner Amtsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels dem höchsten Gericht Deutschlands zur Entscheidung vorgelegt. Alle drei Verfahren wurden in einem Beschluss entschieden – mit dem Ergebnis, dass der Mietendeckel verfassungswidrig ist.

Warum war Berlin nicht gesetzgebungsbefugt?
Grundsätzlich fallen Regelungen zur Miethöhe unter die sogenannte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Das bedeutet, die Länder sind nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von dieser Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat. Aber genau das hat er: Mit den Regelungen zur Bestimmung der Mieten, der Mieterhöhungen und der Mietpreisbreme hat der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht nach Ansicht der Verfassungsrichter bereits abschließend geregelt. Für weitere Gesetze von Seiten der Länder bleibe kein Raum.

Rechtsfolgen treffen Mieter
Mit dem Beschluss zur Verfassungswidrigkeit sind nun alle Mietverträge wieder so zu behandeln, als hätte es nie einen Mietendeckel gegeben. Insbesondere diejenigen Mieter, die mit Inkrafttreten der zweiten Stufe des Mietendeckels am 23. November 2020 ihre Bestandsmiete gesenkt hatten, müssen nun – rein rechtlich – den bisher nicht entrichteten Mietenteil nachzahlen. Auch wenn bei Neuverträgen neben der gesetzlich vorgeschriebenen Mietendeckelmiete eine sogenannte BGB-Miete – also eine Miete ohne den Mietendeckel – vereinbart wurde, können Mieter zur Nachzahlung verpflichtet sein.

Diskussion über bundesweiten Mietendeckel
Es war zu erwarten, dass es nach einer für den Berliner Senat negativen Entscheidung des Verfassungsgerichts eine Diskussion über eine bundesgesetzliche Regelung für einen Mietendeckel geben würde. Zwar wäre der Bundesgesetzgeber formal für den Erlass einer solchen Regelung zuständig. Dass sie selbst aber einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten würde, ist mehr als fraglich. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 18. Juli 2019 zur Mietpreisbremse nämlich bereits enge Grenzen für Mietpreisbegrenzungen aufgezeigt und die Mietpreisbremse in ihrer damaligen Fassung für gerade noch verfassungsgemäß gehalten. Dies begründeten die Richter insbesondere mit der zeitlichen Begrenzung und der erst verzögerten Einwirkung auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Ein bundesweiter Mietendeckel würden diese Grenzen nach Einschätzung von Haus & Grund eindeutig überschreiten.

Der Berliner Senat hat seinen Wählern und insbesondere den Mietern mit dem Erlass dieses offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzes einen Bärendienst erwiesen. Anstatt mehr Wohnungen zur Verfügung zu stellen, ist der Wohnungsbau zurückgegangen, Investoren haben sich zurückgezogen und Vermieter haben weniger in ihre Bestandsimmobilien investiert. Höhepunkt dieser desaströsen Politik ist, dass viele Mieter nun Nachzahlungen leisten müssen und bei Nichtzahlung rechtlich gesehen sogar eine Kündigung drohen könnte.

Julia Wagner
Referentin Recht Haus & Grund Deutschland
Such-Code: 2106-01vv-k1

(1) 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20

(2) 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18

Kommentar: Nach dem Mietendeckel ist vor dem Mietendeckel

Das Bundesverfassungsgericht entschied Mitte April, dass der Berliner Mietendeckel gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist. Das Verfassungsgericht urteilte jedoch nicht über den Inhalt des Gesetzes. Seine Prüfung endete schon beim ersten Schritt – der Frage, ob das Bundesland überhaupt die Zuständigkeit hat, das Mietrecht zu regeln.

Die Entscheidung lautete: Die Bundesländer sind nicht zuständig. Es dauerte aber nur wenige Stunden, bis die Mietendeckel-Befürworter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linken diese Aussage zu ihren Gunsten verdrehten und die Forderung erhoben, dass die Regierung einen bundesweiten Mietendeckel einführen müsse. Und so gab es am 21. April eine erste Debatte dazu im Bundestag.

Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht entschieden hat, ob der Bundestag eine Regelung wie die des Berliner Mietendeckels erlassen darf. Auch inhaltlich bestehen daran gewichtige Zweifel. Denn der Mietendeckel hat pauschal alle Mieten rückwirkend auf vom Berliner Senat festgelegte Miethöhen gekürzt.

Dennoch werden die drei Parteien das Thema im Bundestagswahlkampf in den kommenden Monaten immer wieder einfordern. Und so gilt, frei nach Sepp Herberger: Nach dem (Berliner) Mietendeckel ist vor dem (Bundes-)Mietendeckel. Haus & Grund wird für Sie gegen diese Pläne kämpfen!

Kai H. Warnecke
Präsident Haus & Grund Deutschland
Such-Code: 2106-01pw-k1