Christian Lindner: Mehr Menschen Eigentum ermöglichen

Anlässlich der Bundestagswahl am 26. September 2021 führt Haus & Grund Interviews mit ausgewählten Spitzenpolitikern. Zum Auftakt diskutiert Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, mit Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, über Eigentum sowie die aktuelle und zukünftige Wohnungspolitik.

Das Gespräch wurde von Maximilian Flügge moderiert und ist in einer längeren Fassung als Podcast verfügbar.

Flügge: Heute sind wir zu Gast bei Christian Lindner. Herrn Warnecke und mir ist es eine besondere Freude, Sie in unserer Podcast-Reihe begrüßen zu dürfen und ein persönliches Gespräch hier im Bundestag mit Ihnen zu führen – natürlich mit Abstand und Negativtest.

Lindner: Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut. Endlich trifft man mal wieder Freunde des Eigentums hier. Dafür gibt es keine Mehrheit mehr im Deutschen Bundestag – momentan.

Warnecke: Da haben Sie leider Recht. Aber hoffentlich ändert sich das in der Zukunft – wir zählen auf Sie.

Lindner: Und ich hoffe auf Sie. Denn 2021 werden mit der Bundestagswahl die Weichen neu gestellt – für die Zwanziger-Jahre und darüber hinaus.

Das gesamte gut 37-minütige Gespräch mit Christian Lindner können Sie online als Podcast hören unter www.t1p.de/eigentum2021.

Flügge: Ich höre da eine gewisse Nähe der FDP zu den Werten von Haus & Grund heraus. Aber Sie beide liegen sich noch nicht kumpelhaft in den Armen. Warum?

Warnecke: Das mag an meiner spröden norddeutschen Art liegen – oder an Corona. Aber im Ernst: Inhaltlich gibt es eine parallele Ausrichtung. Eigentum und Freiheit, das sind zwei Seiten derselben Medaille, die einfach zusammengehören. Eigentum gibt es nur in freiheitlichen Gesellschaften und frei ist man, wenn man Eigentum hat, in dem man sich frei entfalten kann. Das sind zwei Grundrechte und die Grundlage der Demokratie in unserem Land, für die sowohl die FDP als auch Haus & Grund stehen.

Lindner: Wir setzen uns für das Eigentum ein, aber nicht aus Liebdienerei mit Eigentümern, sondern aus einer gesellschaftspolitischen Grundüberzeugung. Im Zusammenhang mit dem Denkanstoß aus der grünen Partei, es möge keine Einfamilienhäuser mehr geben, ist bekanntlich eine Debatte entbrannt. In diesem Zusammenhang las ich neulich, dass das Streben nach Eigentum im Grunde völlig überkommen sei. Das passe nicht mehr in unsere Zeit, die von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und der Sharing Economy geprägt ist. Und ich habe eine Gegenposition aus einer gesellschaftspolitischen Sicht.

Flügge: Und die Gegenposition lautet?

Lindner: Zunächst einmal ist das mietfreie Wohnen im selbstgenutzten Eigentum die beste Absicherung gegen Altersarmut oder die Furcht vor sozialem Abstieg im Alter. Es ist zugleich eine sichere Form der Vorsorge für schwierige Lebensphasen. Und mehr noch: Wer im Eigentum lebt, interessiert sich für seine Nachbarn, er pflegt sein Eigentum, er interessiert sich für die anderen Menschen in seiner Straße, für seine Gemeinde und das Gemeinwesen insgesamt. Wenn jemand vielleicht nur für eine kurze Zeit einer von vielen anonymen Mietern in einer großen Wohneinheit ist, besteht die Gefahr, dass das Interesse am Gemeinwesen zurückgeht. Deshalb: Wenn man sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt einsetzt, dann ist ein Schlüssel auch, mehr Menschen Eigentum zu ermöglichen. Deshalb brauchen wir solch eine Politik.

Wir machen aber nicht nur für Eigentümer Politik, sondern auch für Mieter. Nur wir ziehen eine andere Konsequenz aus diesem Einsatz, als das unsere geschätzten Mitbewerber machen. Die Mitbewerber glauben, sie machen eine gute Politik für die Mieter mit der Mietpreisbremse. Wir sagen, wir machen eine gute Politik für sie, wenn es ein umfängliches Angebot gibt und jeder Mietinteressent zwischen unterschiedlichen Vermietern wählen kann, weil nämlich viele neue Wohnungen gebaut werden, weil Bauflächen ausgewiesen werden, weil das Erstellen von neuem Wohnraum nicht so teuer ist, weil es Möglichkeiten der Nachverdichtung gibt.

Flügge: Warum wird eigentlich nicht mehr gebaut, um das Wohnraumangebot zu erhöhen?

Lindner: An manchen Stellen wird nicht genug Siedlungsfläche ausgewiesen. Manche Kommunen streiten über Jahrzehnte, ob an einer Stelle ein neuer Stadtteil entstehen darf. Eine Rolle spielt aber auch die politische Vorgabe, den Flächenverbrauch in Deutschland massiv zu begrenzen. Ich halte das für etwas kurzsichtig, weil wir Bereiche in Deutschland haben, wo wir viele ungenutzte Flächen haben; auf der anderen Seite erleben wir eine Urbanisierung. Da müssen neue Räume erschlossen werden.

Flügge: Herr Warnecke, was bräuchte es Ihrer Meinung nach für Gesetze?

Warnecke: Letztendlich müssen diejenigen ermutigt werden Wohnraum anzubieten, die das können. Dann hat man hinterher auch genug Wohnraum zur Verfügung. Das geht aber nicht von heute auf morgen, da man nicht so schnell bauen kann. Aber man sieht ja hier in Berlin mit dem Mietendeckel eine Politik, die sich ausschließlich auf den Mieter fokussiert. Wir sehen, dass die Vermieter nicht mehr willens und nicht mehr in der Lage sind, Wohnraum anzubieten. Mit der Konsequenz, dass die Zahl der Mietwohnungen in Berlin dadurch um 50 Prozent abgenommen hat. Und gleichzeitig hat die Zahl der zum Verkauf stehenden Wohnungen um fast 40 Prozent zugenommen. Das heißt: Den Mietern geht es durch den Mietendeckel tatsächlich schlechter. Und diejenigen, die Wohnungen anbieten könnten, gehen aus dem Markt heraus und verkaufen dann an selbstnutzende Eigentümer. Das ist nicht Sinn und Ziel des Mietendeckels. Im Endeffekt sieht man, was passiert, wenn man singulär das Interesse einer Gruppe in Betracht zieht und die Zusammenhänge außer Acht lässt. Die Konsequenzen werden nicht mehr debattiert, die Problematik wird verkürzt dargestellt und diese Verkürzung gewinnt medial die Oberhand. Wir wünschen uns, dass wir zurückkehren zu einer Politik, die nicht nur an der Oberfläche schürft.

Flügge: In breiten Teilen der Gesellschaft erleben wir eine ablehnende Position gegen Vermieter. Wie kann man das ändern?

Lindner: Ja, da muss man Aufklärungsarbeit leisten. Die größten Preistreiber bei den Wohnkosten sind ja nicht die Vermieter. Der größte Preistreiber ist der Staat, der nicht genügend Flächen bereitstellt, der immer höhere Baustandards fordert, der bei der Warmmiete durch steigende Energiepreise das verfügbare Einkommen der Menschen schmälert. Und das abzuwälzen auf die Eigentümerinnen und Eigentümer, das ist falsch.

Flügge: Herr Lindner, eine letzte Frage, was erwarten Sie sich von Haus & Grund?

Lindner: Haus & Grund sollte auch weiterhin eine ganz wahrnehmbare Stimme in der gesellschaftspolitischen Diskussion sein und sich für den Gedanken des Eigentums, der sozialen Marktwirtschaft und für die Berechenbarkeit staatlichen Handelns einsetzen – auch im Hinblick auf die Mietpreisbremse und den Mietendeckel. Und ich wünsche mir ein Engagement für diejenigen, die noch keine Mitglieder sind, sprich mitzuwirken, dass noch mehr Menschen den Weg ins Eigentum finden. Dafür brauchen wir ein anderes Steuerrecht, das erlaubt, Eigenkapital aufzubauen, und eine Nachbesserung bei der Wohnimmobilienkreditlinie, damit mehr Familien in die Lage versetzt werden, mit Banken Gespräche führen zu können. Und natürlich wünschen wir uns auch Unterstützung bei den möglichen Koalitionsverhandlungen mit der CDU, insbesondere was den Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für das selbstgenutzte Eigentum angeht.

Und zum Abschluss noch etwas ganz Grundsätzliches: Wenn es nach mir geht, bekommen wir nach der Bundestagswahl einen Bauminister, der sich eingehend um die Fragen rund ums Wohnen kümmert. Ein Ministerium, in dem Inneres, Heimat und Bau zusammengefasst sind, hat nur zu einem geführt: In Wahrheit hat es niemanden gegeben, der sich ums Thema Wohnen, Bauen und Immobilien gekümmert hat.

Warnecke: Da setze ich noch einen drauf. Leider mussten wir erleben, dass der Bundesminister Horst Seehofer das Thema manchmal als Verhandlungsmasse von innenpolitischen Fragen benutzt hat – und zwar nicht zum Vorteil für das Bauen und Wohnen. Ich schließe mit der Bitte ab: Packen Sie die Themen an und vor allem – übernehmen Sie das Ressort auch!

Das gesamte gut 37-minütige Gespräch mit Christian Lindner können Sie online als Podcast hören unter www.t1p.de/eigentum2021.

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