Kündigungswiderspruch des Mieters: Suizidgefahr im Einzelfall prüfen

Wenn Mieter bei einer Kündigung Suizidgefahr als Härtegrund geltend machen, dann muss diese vom Gericht in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 26. Oktober 2022 erneut festgestellt. Pauschale Bewertungen sowohl für als auch gegen den Mieter verbieten sich.

Im konkreten Fall meldete ein Vermieter Eigenbedarf an. Er wollte die vermietete Wohnung mit seiner von ihm und seinem Lebensgefährten bewohnten Wohnung zusammenlegen und einen Durchbruch zum Aufzug durchführen. So sollte ein direkter Zugang zur Wohnung geschaffen werden, damit sein 75-jähriger Lebenspartner, der orthopädische Probleme hatte, die Wohnung ohne das ansonsten notwendige Treppensteigen erreichen könne. Die Mieterin widersprach der Kündigung und machte geltend, dass sie an einer rezidivierenden Depression mit Suizidgedanken leide. Einen Umzug in eine andere, sich auf dem gleichen Stockwerk befindliche Wohnung des Vermieters lehnte sie ab. Daraufhin klagte der Vermieter auf Räumung. In dem nun folgenden Verfahren setzten sich die BGH-Richter insbesondere mit den Fragen auseinander, wie die Ablehnung der Ersatzwohnung sowie die Weigerung der Mieterin, ihre Suizidgefährdung zu therapieren, zu bewerten seien.

Therapieablehnung seitens des Mieters
Zunächst betonte das Gericht, dass sich die Belastungen infolge eines Umzugs durch Unterstützung aus dem sozialen Umfeld des Mieters oder durch begleitende ärztliche oder therapeutische Behandlungen oftmals abmildern ließen. Ob dies zutreffe, müsse aber in jedem Einzelfall konkret geprüft werden. Daher könne nach Ansicht der Richter auch bei einer Ablehnung einer Therapie das Vorliegen eines Härtefalls nicht immer pauschal negiert werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Einsichtsfähigkeit des psychisch erkrankten Mieters in eine Therapiebedürftigkeit nicht oder nur eingeschränkt besteht. Im konkreten Fall war die Mieterin krankheitsbedingt so sehr auf ihre Wohnung fixiert, dass ein Verlassen der Wohnung für eine stationäre Therapie für sie nicht infrage kam. In einem solchen Fall spielen auch die Erfolgsaussichten der Therapie nicht die ausschlaggebende Rolle.

Ablehnung einer Ersatzwohnung
Auch in der Ablehnung einer Ersatzwohnung sahen die BGH-Richter nicht grundsätzlich einen Wegfall des Härtegrundes. Hier müsse im Einzelfall ebenfalls geprüft werden, warum diese erfolgt. Im konkreten Fall war die Fixierung der Mieterin auf ihre Wohnung so stark, dass keine Ersatzwohnung für sie eine akzeptable Alternative darstellte. Die Stellung einer Ersatzwohnung konnte die Suizidgefahr also nicht mindern und somit deren Ablehnung auch den Härtefall nicht wegfallen lassen.

Praxistipp Berufen sich Mieter bei einer Kündigung auf einen Härtefall wegen ärztlich attestierter Suizidgefahr, müssen sich Vermieter auf langwierige Prozesse einstellen. Denn die Richter müssen jeden Einzelfall sehr genau prüfen. Vermieter sollten versuchen zu verstehen, worin genau das psychologische Problem des Mieters besteht und wie beziehungsweise ob diesem begegnet werden kann. Therapieangebote und Ersatzwohnungen können zwar helfen, das Suizidrisiko zu mindern, aber leider ist das nicht immer der Fall. Je eher auch der Vermieter dies erkennt, desto frühzeitiger kann er selber die Erfolgsaussichten einer Klage beurteilen.

Gerold Happ, Geschäftsführer Immobilien- und Umweltrecht Haus & Grund Deutschland

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