Obwohl den Wohnungseigentümern hierfür seit der Reform eigentlich die Beschlusskompetenz fehlt und ein entsprechender Beschluss somit nichtig sein müsste, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 19. Juli 2024 (V ZR 102/23) entschieden, dass dies kein Problem darstellt: Beschlüsse über die Jahresabrechnung sind grundsätzlich so auszulegen, dass lediglich über die Abrechnungsspitzen beschlossen wurde.
Eigentümer wollen rechtmäßig handeln
Der BGH begründete dies damit, dass Wohnungseigentümer zu einer rechtmäßigen Verwaltung verpflichtet seien und somit im Zweifel keine rechtswidrigen Beschlüsse fassen wollen. Daher könne trotz anderslautendem Beschlusswortlaut nach der WEG-Reform davon ausgegangen werden, dass die Wohnungseigentümer nur über die Abrechnungsspitzen beschließen möchten. Dementsprechend sei der Beschluss dann auch auszulegen.
Der (falsche) Beschluss
Im konkreten Fall fasste eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung am 28. Juli 2021 den folgenden Beschluss:
„Die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes für den Zeitraum 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 werden in der Fassung mit Druckdatum vom 11. Mai 2021 genehmigt. Die Abrechnungsspitzen sind zum 1. September 2021 fällig.“
Diesen Beschluss focht ein Wohnungseigentümer an.
So ganz überraschend war die Entscheidung des BGH nicht: Mit Beschluss vom 25. Oktober 2023 (V ZB 9/23) hatten die Richter bereits entschieden, dass Beschlüsse über Wirtschaftspläne nach der WEG-Reform als Beschlüsse über die Vorschüsse umzudeuten sind. Da die neue Konstellation bei den Jahresabschlüssen und den Abrechnungsspitzen nach der Reform der Konstellation bei den Wirtschaftsplänen und den Vorschüssen entspricht, war hier auch mit einer ähnlichen Entscheidung des BGH zu rechnen. Dennoch sollten sich Verwaltung und Wohnungseigentümer langsam an die neuen rechtlichen Gegebenheiten gewöhnen und die Beschlussvorlagen entsprechend korrigieren. Denn irgendwann wird vielleicht auch der BGH nicht mehr akzeptieren, dass Beschlüsse gegen ihren Wortlaut umgedeutet werden.