Grundsteuerranking: Klamme Kommunen verlieren an Attraktivität

Im Interview interpretiert Studienleiter Hanno Kempermann von IW Consult die Ergebnisse der Erhebung und wagt einen Ausblick auf die Zukunft.

Gibt es Auffälligkeiten zwischen den Bundesländern?
Zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede. Während Rheinland-Pfalz mit der geringsten durchschnittlichen jährlichen Grundsteuer für ein Einfamilienhaus in Höhe von 385 Euro aufwartet, müssen in Berlin 686 Euro gezahlt werden. Nach Rheinland-Pfalz positionieren sich Baden-Württemberg mit 402 Euro und Bayern mit 419 Euro auf den Rängen 2 und 3 und bieten dementsprechend ebenfalls attraktive Rahmenbedingungen.

In einigen Städten wurde der Hebesatz drastisch erhöht, in anderen sank er. Woran lag das?
Besonders drastische Erhöhungen fanden in Offenbach am Main mit 295 Punkten und Mülheim an der Ruhr mit 250 Punkten statt. In Offenbach wurden hohe Schulden und notwendige Investitionen als Gründe angeführt. Ähnliche Gründe gab es in Mülheim, das aufgrund der angespannten Haushaltslage am Stärkungspakt Stadtfinanzen des Landes Nordrhein-Westfalen teilnimmt. Erlangen dagegen konnte den Grundsteuerhebesatz aufgrund der guten finanziellen Lage um 75 Punkte senken. Das entspricht einem Rückgang von rund 18 Prozent. Die Stadt Remscheid löst ihr Versprechen gegenüber den Bürgern ein, die aufgrund eines Steuerlochs notwendige Erhöhung des Hebesatzes von 2015 schrittweise wieder rückgängig zu machen. 2020 wurde hier die Steuer um gut drei Prozent gesenkt.

Sind die enormen Unterschiede gerecht? Was sollten Städte und Gemeinden Ihrer Ansicht nach ändern?
Der Unterschied von bis zu 448 Euro im Jahr ist schon bedeutend. Das Problem ist, dass die klammen Städte durch die Erhöhung von Gewerbe- oder Grundsteuern an Attraktivität verlieren, wodurch Neuansiedlungen unwahrscheinlicher werden. Eine Lösung der Altschuldenproblematik bei gleichzeitiger Anreizsteuerung, in Zukunft nicht in die gleiche Problemlage zu geraten, könnte einen Ausweg darstellen.

Welche Ergebnisse erwarten Sie nach der Reform der Grundsteuer?
Die Ergebnisse nach der Reform sind noch nicht im Detail absehbar. Der bundesdeutsche Vorschlag ist jedoch ziemlich kompliziert, weil relativ viele Elemente berücksichtigt werden sollen. Im vom Bund vorgeschlagenen Modell müssen ab 2022 alle Grundstücke – orientiert an Grundstücksfläche und Bodenrichtwert, Immobilienart, Nettokaltmiete, Gebäudefläche und Gebäudealter – neu berechnet werden – und danach alle sieben Jahre wieder. Durch die Öffnungsklausel für die Länder bestehen aber immer noch Unsicherheiten, inwieweit die einzelnen Bundesländer abweichende Grundsteuersystematiken anwenden. Deshalb sind Ergebnisse auch noch nicht konkret absehbar. Der politische Wille ist, zumindest das Gesamtaufkommen in etwa konstant halten zu wollen. In vielen Fällen dürfte es allerdings dennoch zu einer höheren Steuerbelastung kommen. Gerade in Städten und deren Umland hat der Bodenrichtwert als wichtiges Element zur Berechnung der Grundsteuer wegen steigender Immobilienpreise deutlich angezogen, da er auf Kaufpreisen bei aktuellen Transaktionen beruht. Dann müssten die aktuellen Hebesätze gesenkt werden, um Aufkommensneutralität zu gewährleisten.

Das Interview führte Anna Katharina Fricke
Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland

Such-Code: 2106-05pw-k2

Die Grundsteuer ist in erster Linie dafür da, den Kommunen Geld in die Kassen zu bringen, damit diese ihren Bürgern öffentliche Dienstleistungen anbieten können. Sie ist aber auch ein Instrument, um die Attraktivität einer Kommune zu steigern – und zwar mit niedrigen Sätzen. Viele Kommunen, die in unserem Ranking schlecht abgeschnitten haben, sollten zwischen diesen beiden Zielen eine neue Balance suchen.

Kai H. Warnecke, Präsident Haus & Grund Deutschland