Grundsteuerbescheid: Wann lohnt sich der Einspruch?

Bodenrichtwert oder Nettokaltmiete zu hoch, falsche Angaben bemerkt? Gründe, die Bescheide zu prüfen, gibt es viele. Nachfolgend erfahren Sie, wie gegen den Bescheid richtig Einspruch eingelegt wird und ob sich ein Einspruch lohnt.

Patrick Straßer, Dipl.-Kfm. (FH), Steuerberater und Partner in der Kanzlei Wekel Straßer & Kollegen Steuerberater Partnerschaft mbB in Berlin, Lehrbeauftragter für Steuerrecht an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM)

 

1. Zwischenstand

Die Abgabefrist für die Grundsteuererklärung war zunächst für den 31.10.2022 vorgesehen, wurde dann kurz vor deren Ablauf um drei Monate bis zum 31.01.2023 verlängert. Nur Bayern hat als einziges Bundesland den Abgabetermin für die Grundsteuererklärung ein weiteres Mal bis zum 30. April 2023 verschoben.

Nach der Pressemitteilung der Senatsverwaltung der Finanzen vom 01.02.2023 lagen den Berliner Finanzämtern bis zum Fristende (31.01.2023) rund 75 % der Grundsteuererklärungen vor. Steuerpflichtige, die noch keine Erklärung abgegeben haben, erhalten im ersten Quartal 2023 ein Erinnerungsschreiben. Dieses enthält eine Frist von einem weiteren Monat. Bis dahin werden grundsätzlich keine Verspätungszuschläge erhoben. Danach werden die Finanzämter wie in anderen Steuerverfahren im Einzelfall und nach Ermessen Verspätungszuschläge erheben oder den Steuerwert schätzen. Es besteht auch die Möglichkeit, Zwangsgelder festzusetzen.

2. Von der Grundsteuererklärung zum Grundsteuerbescheid

Auf Basis der eingereichten Grundsteuererklärung erhalten die Eigentümer vom Finanzamt nacheinander folgende drei Steuerbescheide:

  • Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes auf den 01.01.2022,
  • Bescheid über den Grundsteuermessbetrag,
  • Bescheid über die Grundsteuer.

Wichtig zu wissen ist, dass die drei Bescheide aufeinander aufbauen. Die Daten aus Ihrer Grundsteuererklärung fließen in den Bescheid über den Grundsteuerwert ein. Der Grundsteuerwert wird in den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag übernommen und mit der Steuermesszahl (z. B. 0,31 Promille für Wohngrundstücke) multipliziert, was zum Grundsteuermessbetrag führt. Schlussendlich findet dieser Messbetrag Eingang in den Bescheid über die Grundsteuer und wird mit dem Hebesatz multipliziert und ergibt die ab dem Jahr 2025 zu zahlende Grundsteuer. Der neue Hebesatz wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr bekanntgegeben. Derzeit beträgt der Hebesatz in Berlin für die Grundsteuer (B) 810 %.

Die neue Grundsteuer ab 2025 berechnet sich somit wie folgt:

Grundsteuer = Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz

3. Typische Fehlerquellen in der Grundsteuererklärung

Nach den bisherigen Erfahrungen sind häufige Fehler bei der Grundsteuererklärungen u.a.

  • Wohnflächen wurden zu hoch angesetzt, weil die Kellerflächen zur Wohnfläche dazugerechnet wurden;
  • normale Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an Gebäuden wurden als „Kernsanierung“ angegeben;
  • bei Grundstücken in einer Bodenrichtwertzone mit mehreren Bodenrichtwerten wurde irrtümlich der falsche Richtwert ausgewählt;
  • PKW-Stellplätze und Carports wurden als Garagen deklariert;
  • Schuppen und Remisen wurden als weitere Gebäude eingetragen.

Auch dem Finanzamt passieren solche Fehler, etwa weil auf veraltete Akten oder falsche Informationen zurückgegriffen werden. Bei über 34 Millionen Grundstücken in Deutschland ist es nicht verwunderlich, dass sich solche Fehler einschleichen.

4. Grundsteuererklärung mit ELSTER

Einen besonderen Nachteil haben diejenigen Eigentümer, die ihre Grundsteuererklärung über das ELSTER-Portal erstellt und an das Finanzamt übermittelt haben. Obwohl die Daten direkt am Computer eingegeben wurden, hat das ELSTER-Programm keine Steuerberechnung ausgegeben. Ohne eine solche Steuerberechnung ist es sehr schwer festzustellen, ob und ggf. wo das Finanzamt von den Angaben in der Grundsteuererklärung abgewichen ist. Andere Software-Anbieter, wie z. B. WISO-Grundsteuer, haben eine detaillierte Steuerberechnung für die Grundsteuer angezeigt.

5. Gegen welchen Steuerbescheid ist Einspruch einzulegen

Der Einspruch gegen die Höhe des Grundstückswertes (z. B. wegen falscher Fläche, falschen Bodenrichtwerts oder falschen Baujahres) kann nur gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert erhoben werden. Ein Einspruch gegen den Grundsteuermessbescheid oder gegen den Grundsteuerbescheid wäre unzulässig.

Der Einspruch hat innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu erfolgen. Es ist zulässig, den Einspruch zunächst nur fristwahrend ohne Angabe einer Begründung einzulegen und die Einspruchsbegründung zeitnah nachzureichen. Auf diese Weise haben Sie mehr Zeit, um den Bescheid zu prüfen und die Begründung auszuarbeiten.

6. Sollte wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit vorsorglich Einspruch eingelegt werden?

Unabhängig davon, ob man die neue Grundsteuer für verfassungswidrig hält, gilt: Enthält der Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts Fehler, sollte gegen den Bescheid innerhalb der Monatsfrist auf jeden Fall Einspruch eingelegt werden.

Der Steuerexperte Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg hält die neue Grundsteuer für verfassungswidrig.

Hauptkritikpunkte an der neuen Grundsteuer sind:

  • Die Bodenrichtwerte sind im Einzelfall zu ungenau, weil zum Teil sehr unterschiedliche Grundstücke in einer räumlich zusammenhängenden Bodenrichtwertzone mit demselben Bodenrichtwert bewertet werden. Das Bundesmodell sieht derzeit keine Möglichkeit vor, dass Betroffene einen niedrigeren Bodenwert durch ein Gutachten nachweisen können.
  • Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, das vereinfacht besagt, dass der Bürger erkennen muss, welche Rechtsfolgen sich aus seinem Verhalten ergeben. Die staatliche Reaktion auf das Handeln der Bürger muss voraussehbar sein. Andernfalls besteht die Gefahr staatlicher Willkür. Die finanziellen Auswirkungen auf die Grundsteuer stehen erst mit Bekanntgabe der Grundsteuerbescheide im Jahr 2024 fest. Zu diesem Zeitpunkt werden jedoch die Grundlagenbescheide (Feststellung der Grundsteuerwerte) längst bestandskräftig sein.

Auch der Bund der Steuerzahler und Haus & Grund Deutschland halten die neue Grundsteuer für verfassungswidrig und planen daher eine Musterklage.

Beim Finanzgericht Baden-Württemberg sind bereits zwei Musterklagen anhängig: Aktenzeichen: 8 K 2368/22 sowie 8 K 2491/22. Die Klagen richten sich gegen die Verfassungswidrigkeit des Landesgrundsteuergesetzes Baden-Württemberg (hier gilt nicht das Bundesmodell).

7. So können Eigentümer von der Musterklage vom Bund der Steuerzahler und Haus & Grund Deutschland profitieren

Sie legen gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes Einspruch ein und beantragen „Ruhen des Einspruchsverfahrens“.

Das ist allerdings erst möglich, wenn ein Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsverfahrens vor einem Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Derzeit sind Musterklagen vor dem Finanzgericht anhängig. Das Ruhen des Einspruchsverfahrens ist in dieser Phase nur mit Zustimmung des Finanzamtes § 363 Abs. 2 Satz 1 AO möglich.

Erst wenn das Musterverfahren beim Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist, besteht ein Anspruch, dass das Einspruchsverfahren ruht (sog.  Zwangsruhen des Einspruchsverfahrens ohne Zustimmung des Finanzamtes § 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

8. Musterschreiben

Musterschreiben sind kostenlos abrufbar im Internet unter: www.grundeigentum-verlag.de Download -> Sonstiges

9. Kosten des Einspruchsverfahren

Das Einspruchsverfahren ist kostenlos. Der Bürger und die Finanzbehörden haben jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen. Wird ein Steuerberater/Rechtsanwalt mit dem Einspruchsverfahren beauftragt, sind diese Kosten selbst zu tragen.

10. Erfolgsaussichten

Die Einlegung eines Einspruchs mit der Begründung, dass die neuen Grundsteuerregelungen verfassungswidrig sind, ist aktuell wenig erfolgsversprechend. Nach den bisherigen Erfahrungen weisen die Finanzämter derartige Einsprüche zurück, solange der Bundesfinanzhof keine verfassungsrechtlichen Zweifel geäußert oder das BVerfG nicht entschieden hat, dass die neuen Regelungen verfassungswidrig sind.

Es darf aufgrund der sog. „pro-futuro-Rechtsprechung“ des BVerfG auch bezweifelt werden, ob eine erneute Verfassungswidrigkeit zu einer Rückzahlung der bezahlten Grundsteuer führen wird. Die bisherigen Urteile des BVerfG zur Erbschaftsteuer und auch zu den alten Einheitswerten hatten stets nur zur Folge, dass die für verfassungswidrig erklärten Gesetze für eine gewisse Übergangsdauer weiter zur Anwendung kamen und dem Gesetzgeber eine Frist auferlegt wurde, um das verfassungswidrige Gesetz an die Vorgaben des BVerfG anzupassen.

11. Schon mehr als eine Million Einsprüche

Auch wenn ein Einspruch wegen möglicher Verfassungswidrigkeit derzeit noch wenig erfolgsversprechend ist, sind nach Angaben von tagesschau.de vom 10.03.2023 bundesweit inzwischen 1,3 Millionen Einsprüche gegen die neuen Bescheide bei den Finanzämtern eingetroffen. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) spricht von einem „Einspruchs-Tsunami“. Es bleibt zu hoffen, dass der Druck dazu führen wird, dass die Bescheide bald vorläufig ergehen, bis die Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuer abschließend geklärt ist.

 

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