Ekstase kann man vom Gebäudeenergiegesetz nicht erwarten

Heizungstausch, Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden und Förderungen – im Interview von Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland diskutieren Bundesbauministerin Klara Geywitz und Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke die Optionen, wie Eigentümer in Zukunft heizen können.

Selten waren die Zeiten so stürmisch, was den Energie- und Wohnungsmarkt anbelangt: Energiekrise, Handwerkermangel, Inflation, knapper Wohnraum – und jetzt kommt noch die Reform des Gebäudeenergiegesetzes, kurz GEG, mit der Pflicht, neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Frau Geywitz, ist das der richtige Zeitpunkt?

Geywitz: Besser wäre natürlich gewesen, man hätte bereits vor 15 oder 20 Jahren eine kommunale Wärmeplanung gemacht und festgelegt, an welchen Standorten welche Wärme zur Verfügung steht. Mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sind wir aber – auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – bereits relativ spät dran, zumal eine Heizung locker 20 bis 25 Jahre hält. Von daher stimmt es, dass wir die Eigentümer nun in die Pflicht nehmen müssen. Die Zeit drängt aber auch.

Herr Warnecke, was sagen Sie zum Stichwort Wärmeplanung?

Warnecke: Ich stimme Frau Geywitz zu, dass dies versäumt wurde. Aber: Dieses Versäumnis, eine kommunale Wärmeplanung vor der Reform des GEG auf den Weg zu bringen, bedeutet aus Sicht von Haus & Grund nicht, dass wir jetzt rückwärts vorgehen können. Zuerst muss die kommunale Wärmeplanung kommen, dann braucht jeder Eigentümer einen Sanierungsfahrplan, wie er seine Immobilie energetisch sanieren kann und erst dann können gesetzliche Pflichten erfolgen. In umgekehrter Reihenfolge wird es nicht funktionieren.

Geywitz: Die kommunale Wärmeplanung ist gerade intensiv in Arbeit. Im Bauministerium, das dabei federführend ist, sind wir im regen Austausch mit den Kommunen, Ländern und Verbänden. Ich glaube, dass Abwärmenutzung, Abwasserwärme und Geothermie in Zukunft wichtige Themen sein werden. Wir müssen hier größere Lösungen wie lokale Nahwärmenetze und Quartierslösungen finden, damit nicht jeder Hauseigentümer selber der Frage nachgehen muss, wie er künftig heizen kann.

Wann genau soll die kommunale Wärmeplanung konkret kommen?

Geywitz: Wir wollen damit vor der Sommerpause ins Kabinett, sodass der Entwurf danach ausführlich im Parlament beraten werden kann. Vorher wollen wir die Anregungen der Länder und Verbände aber bereits aufnehmen.

Warnecke: Das hört sich ambitioniert an. Ich könnte mir vorstellen, dass es länger dauern wird, bis der einzelne Eigentümer Bescheid weiß, welche Energien ihm zur Verfügung stehen. Wir haben aber nach jetzigem Stand ab 1. Januar 2024 die Herausforderung, irreparable Heizungen ersetzen zu müssen. Sehen Sie da die Chance, dem Eigentümer zumindest grob mitzugeben: An diesem Standort ist nur Strom verfügbar, dort arbeiten wir daran, dass das Gasnetz mit Wasserstoff betrieben wird oder hier liegt demnächst Fernwärme an?

Geywitz: Ich möchte zunächst einmal deutlich machen, wer überhaupt von dem Gesetz betroffen ist, das ja extrem große Verunsicherung bei allen Eigentümern hervorgerufen hat. Wichtig ist: Alle Heizungen, die funktionieren, können weiterbetrieben werden, und wenn eine kaputtgeht, dann darf diese natürlich repariert werden. Direkt betroffen von der Gesetzesreform sind nur diejenigen, bei denen eine Heizung irreparabel ist und ausgetauscht werden muss. Das waren im vergangenen Jahr in ganz Deutschland etwa 200.000 Heizungen. Zum anderen werden wir künftig sehr viele lokale Lösungen sehen. Biomasse bietet sich auf dem Land für lokale Nahwärmenetze an. Dafür braucht es nicht zwingend staatliche Planungen, sondern Privatinteressenten können sich zusammentun und diese technische Lösung für sich umsetzen.

Jedoch wissen Eigentümer oft einfach nicht, auf welche Lösung sie setzen sollen. Nicht für jedes Haus eignet sich die Wärmepumpe oder kann – zum Beispiel in einem Altbau aus der Jahrhundertwende – nur sinnvoll eingesetzt werden in Kombination mit anderen umfassenden energetischen Sanierungsmaßnahmen. Auch beim Austausch von Gasetagenheizungen liegt die Lösung keineswegs auf der Hand. Viele Eigentümer können nur hoffen, dass ihre Heizung nicht kaputtgeht, bis es klarer wird, welche technischen Möglichkeiten sich durchsetzen. Was raten Sie Eigentümern, bei denen die Lösung nicht auf der Hand liegt?

Geywitz: Wichtig ist, dass man sich jetzt Gedanken und einen Plan macht, bevor der Havariefall eintritt. Zudem haben wir lange Übergangsfristen vorgesehen. Geht eine Heizung kaputt, darf man sich zum Beispiel für eine Übergangszeit von drei Jahren eine gebrauchte auf Basis fossiler Energien einbauen. Natürlich ist es sinnvoller, wenn man weiß, wohin die Reise mit erneuerbaren Energien gehen soll. Ich habe immer das Haus meiner Mutter aus der Nachkriegszeit mit Ölheizung vor Augen. Zwar ist meine Mutter über 80 Jahre alt und daher nach Stand des aktuellen Gesetzentwurfes ausgenommen. Dennoch würde ich ihr nicht raten, nochmals eine Ölheizung einzubauen, da der Ölpreis durch die CO2-Besteuerung zunehmend steigen wird. Bei ihrem Haus mit vielen kleinen Räumen und vielen Heizkörpern könnte eine Wärmepumpe möglich sein. Zusätzlich hat sie noch einen Kachelofen, der mit Holz befeuert wird, und die Warmwasserbereitung könnte künftig elektrisch erfolgen. Und wo ein Haus sich nicht allein mit einer Wärmepumpe beheizen lässt, werden auch Hybridlösungen eine Möglichkeit sein, zum Beispiel eine Gasheizung in Kombination mit einer Wärmepumpe.

Warnecke: Das ist ein Aspekt, der bei Haus & Grund für Sorgenfalten sorgt. Wir würden unseren Mitgliedern immer empfehlen, von halben Sachen und Übergangslösungen abzusehen. Hybride Technologien sind mit einem zeitlichen Stoppschild versehen, vielleicht auch schon vor 2045 – wenn das Gasnetz gar nicht so lange betrieben wird. Eine Wärmepumpe, die nur einen Teil des Wärmebedarfs abdecken kann, muss dann ebenfalls ersetzt werden, wenn man keine Gastherme mehr zur Unterstützung hat. Diese Zwischenschritte und Extrakosten müssen vermieden werden. Das GEG sollte aus unserer Sicht so gebaut werden, dass dort, wo möglich, auf 100 Prozent erneuerbare Energien gegangen und für diejenigen, bei denen Unklarheiten bestehen, etwas mehr Puffer gegeben wird. Dann wäre jeder entspannter.

Geywitz: Richtig ist, dass Gebäude extrem unterschiedlich beschaffen sind. Deswegen haben wir immer gesagt, es gibt nicht nur die eine Lösung. Wir setzen auf Technologieoffenheit. Für ein junges Paar, das das Haus für viele Jahrzehnte nutzen will, ist eine Hybridlösung vielleicht nicht die richtige Option. Dann ist es vielleicht sinnvoll, in Dämmung zu investieren und anschließend komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Für Ältere mit einem unsanierten Haus, das die Kinder nicht weiter nutzen wollen, ist es fraglich, ob man da noch groß investieren will. Dann kann eine hybride Lösung für die nächsten 20 Jahre ausreichend sein, bei der eine Gastherme die Heizspitzen abdeckt. Deswegen haben wir im Gesetzentwurf Ausnahmeregelungen vorgesehen. Über diese berät derzeit der Deutsche Bundestag. Ausgenommen sollen neben älteren Menschen auch diejenigen sein, für die die Umstellung eine wirtschaftliche Härte bedeutet sowie diejenigen, bei denen der Einbau einer neuen Heizung nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum Wert des Hauses steht. Der Fokus liegt also auf dem Neubau und auf Objekten, bei denen wir – flankiert mit einer starken staatlichen Förderung – die Eigentümer in die Lage versetzen können, in die Modernisierung ihrer Heizung zu investieren.

Warum sind ausgerechnet die über 80-Jährigen ausgenommen und nicht etwa die 65-Jährigen, die als Rentner auch nicht mehr unbedingt kreditwürdig sind?

Geywitz: Die Frage nach der Kreditwürdigkeit ist Teil des Förderkonzeptes: Jeder kann einen Kredit bis zu 60.000 Euro bekommen, auch wenn er ihn bei seiner eigenen Hausbank nicht bekommen würde. Und die Grenze bei 80 Jahren zu ziehen, hat zwei Gründe: Zum einen rentiert sich die Investition in eine neue Heizung erst nach zehn oder mehr Jahren. Das ist für 65-Jährige etwas anderes als für 80-Jährige. Außerdem ist der Anteil der Pflegebedürftigen bei Letzteren deutlich höher. Die Ausnahme erspart den betreuenden Personen somit viel Bürokratie. Aber noch einmal: Auch 79-Jährige können einen Antrag auf Ausnahme stellen, wenn es für sie eine Härte bedeutet.

Dann wird das Problem an die Erben weitergereicht?

Geywitz: Wer energetisch saniert, investiert in die Substanz seines Gebäudes und spart auf Dauer Betriebskosten.

Warnecke: Einen Mehrwert generieren wir damit nicht. Erst einmal haben wir durch das Gesetz einen erheblichen Wertverlust und schaffen es dann – unter Zuhilfenahme eines Kredites –, wieder auf den Ursprungswert zurückzukehren. Das löst bei Eigentümern keine Ekstase aus, so den Gebäudewert wieder herzustellen.

Geywitz: Ich glaube, Ekstase kann man vom Gebäudeenergiegesetz auch nicht erwarten. Aber ganz im Ernst – wir haben jetzt eine Umbruchsituation, die ganz viele Sachen, die wir gewohnt sind, auf den Kopf stellt. Wir waren es gewohnt, dass Gas die billigste Art war zu heizen. Aber der jetzige Gaspreis ist mit Milliarden von Steuergeldern subventioniert, und das Ende der Subvention ist absehbar. Wir waren es auch gewohnt, dass man in alten unsanierten Gebäuden am billigsten wohnen konnte. Diese Phase ist mit der CO2-Bepreisung aber auch endlich, weil man mit stark steigenden Nebenkosten in Zukunft konfrontiert sein wird. Ich bin zwar ganz klar gegen einen gesetzlichen Sanierungszwang, wie ihn das EU-Parlament mit der Gebäudeeffizienzrichtlinie vorsieht, da dieser zu stark in die Eigentumsrechte der Menschen eingreift. Aber fest steht auch, es wird für Eigentümer von schlecht isolierten Immobilien nicht mehr so billig sein wie in der Vergangenheit. Das ist auch einer der Gründe, warum wir uns im Bauministerium stark dafür eingesetzt haben, dass man im Bestand in Zukunft auch mit Holz heizen kann und dies gefördert wird. Vor allem auf dem Land ist das eine Möglichkeit für viele, ihre Heizkosten zu reduzieren.

Wobei die Pelletheizung natürlich auch sehr umstritten ist.

Geywitz: Deswegen versucht der Gesetzentwurf da auch einen Kompromiss zu machen, indem er sagt, im Neubau braucht es keine Holzheizung. Auch in Berlin-Mitte, wo wir gerade sitzen, ist dies nicht die passende Option, was aber in Thüringen, im Bayerischen Wald oder im Harz ganz anders aussehen kann.

Zum Thema Förderung – reichen diese, Herr Warnecke, um eine Überforderung von Eigentümern abzufedern?

Warnecke: Wir würden uns als Allererstes freuen, wenn schon im Gesetz klar und deutlich geregelt wäre, dass die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit einen Härtefall begründen kann. Zudem haben wir gerade wenig Details zu den geplanten Fördermaßnahmen. Bislang gibt es wenig Konkretes, sondern nur pauschale Aussagen, dass niemand im Stich gelassen werde. Das können wir mit den jetzigen Informationen nicht verifizieren.

Geywitz: Wichtig war uns im Bauministerium, dass die Förderung technologieoffen erfolgt, dass also eine Wärmepumpe zum Beispiel nicht mehr gefördert wird als eine andere Lösung und sich der Eigentümer somit frei entscheiden kann. Deshalb gibt es eine Grundförderung von 30 Prozent für alle technischen Optionen. Hinzu kommen noch unterschiedliche Boni, zum Beispiel für Kindergeld- oder Wohngeldbezieher oder diejenigen, die sehr alte Heizungen haben. Insgesamt kann so der Fördersatz auf bis zu 50 Prozent steigen. Die Förderbedingungen stehen noch nicht final, aber ich hoffe nach wie vor, dass das Gesetz im Bundestag vor der Sommerpause beschlossen wird – dann natürlich auch mit den entsprechenden Förderkonzepten.

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