Die Notwendigkeit der EU-Gebäuderichtlinie grundsätzlich infrage gestellt

Die Europäische Union arbeitet seit 2021 an einer Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Im März hat das Europäische Parlament eine ehrgeizige Position beschlossen. Diese umfasst mit den energetischen Mindeststandards (MEPS) auch Sanierungspflichten für Immobilieneigentümer und wurde daher in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Im Interview erklärt der Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU/CSU), warum er die EPBD in ihrer derzeitigen Fassung ablehnt.

Als Europaabgeordneter haben Sie den Prozess unmittelbar mitverfolgt. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Richtlinie?

Das Europäische Parlament hat den Bericht zur Gebäuderichtlinie nur mit knapper Mehrheit gegen die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch die CDU/CSU gehört, angenommen. In den jetzt anstehenden Verhandlungen sind deshalb Rat und Kommission die wesentlichen Akteure. Das Parlament hat sich durch überzogene Forderungen selbst geschwächt.

Wofür haben Sie sich im Entstehungsprozess stark gemacht?

Ich habe die Notwendigkeit einer solchen Richtlinie grundsätzlich infrage gestellt. Wir haben den Europäischen Emissionshandel für Gebäude, und wir haben verbindliche europäische Energieeinsparverpflichtungen für die Länder durch die EU-Energieeffizienzrichtlinie. Damit gibt die EU den CO2-Deckel doch durch die Zahl der Emissionszertifikate verbindlich vor. Die Einhaltung des Klimaziels für die Gebäudewirtschaft ist garantiert. Reicht das nicht an europäischer Regulierung? Gebäude sind ortsfest. Wo ist der grenzüberschreitende Bezug? Warum belässt es Brüssel nicht bei diesen grundsätzlichen Vorgaben und überlässt die Details der Gebäudesanierung den Mitgliedstaaten? Warum hat es eigentlich in Deutschland keinen prinzipiellen Widerstand gegen eine solche EU-Richtlinie gegeben? Andere Länder geben Subsidiarität einen viel höheren Stellenwert.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie für Eigentümer mit sanierungsbedürftigen Immobilien?

Was heißt sanierungsbedürftig? Geht es nach der EU-Richtlinie, unterliegen auch völlig intakte Häuser dem Sanierungszwang innerhalb weniger Jahre, wenn sie zu den 15 Prozent ineffizientesten Gebäudebeständen gehören. Geht in einem Haus dann noch die Öl- oder Gasheizung kaputt, kommt die Zwangsinvestition für eine Wärmepumpe dazu. Die Sanierungskosten übersteigen schnell 150.000 Euro pro Haus. Die Hälfte der im ländlichen Raum betroffenen Häuser müsste man wohl abreißen und neu bauen. Das ist weltfremd und Wasser auf die Mühlen radikaler Parteien.

Worauf kommt es Ihrer Meinung nach bei den Trilog-Verhandlungen und später bei der Umsetzung in deutsches Recht an?

Damit wir den finanziellen Rahmen für Mieter, Eigentümer und den Staat nicht sprengen, müssen flexible, bezahlbare und technologieoffene Lösungen her. Hierfür muss sich die deutsche Regierung auch im Rat einsetzen. Es besteht vor allem eine Chance für mehr Flexibilität bei Energieeffizienzanforderungen. Ein Quartiersansatz, bei dem mehrere Häuser zu Energiequartieren zusammengefasst werden, kann alternativ zu Mindestenergieeffizienzstandards (MEPS) und Nullemissionsgebäuden geltend gemacht werden. Die Effizienzanforderungen werden dann durch den Quartiersansatz bestimmt. Zudem sollte es möglich sein, auch die nationale Effizienzklassifizierung zu nutzen. Weiterhin kann man bezahlbares Wohnen durch umfassende Ausnahmen für MEPS aus sozialen Gründen ermöglichen, sodass die Umsetzung auf kommunaler Ebene geregelt werden kann.

Wie geht es nun weiter mit dem Trilog-Verfahren?

Das Trilog-Verfahren hat am 6. Juni mit der Kommission und der schwedischen Ratspräsidentschaft begonnen, geht aber über den Austausch von Positionen bislang nicht hinaus. Ob die EPBD dann auf der Prioritätenliste der Spanier steht, bezweifle ich allerdings. Fest steht, dass sich die Verhandlungen in die Länge ziehen werden, wenn sogar in dieser Legislatur nicht abgeschlossen werden. Der Richtlinienvorschlag der Kommission wurde schließlich in einem anderen politischen Umfeld geliefert: Nun muss sich der Rat mit hohen Energiepreisen, der Inflationskrise, hohen Zinsen und einem besonders herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld neu positionieren. So stehen vor allem die Finanzierungsfrage sowie mehr Flexibilität für Mitgliedstaaten im Raum – vor allem, wenn man auf den vorhandenen Gebäudebestand blickt. Wie der grüne Berichterstatter des Parlaments mit den flexibleren Forderungen des Rates umgeht, bleibt abzuwarten.

Das Interview führte Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland

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