Die EU-Richtlinie in der aktuellen Form ist ein unrealistisches Bürokratiemonster

Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland im Gespräch mit Andreas Glück, Mitglied des Europäischen Parlaments

Die EU arbeitet seit 2021 an einer Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Im März hat das Europäische Parlament eine ehrgeizige Position beschlossen. Diese umfasst mit den energetischen Mindeststandards (MEPS) auch Sanierungspflichten für Immobilieneigentümer und wurde daher in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Im Interview erklärt der Europaabgeordnete Andreas Glück (FDP), warum er die EPBD in der derzeitigen Fassung für nicht tragbar hält.

Als Europaabgeordneter haben Sie den Prozess unmittelbar mitverfolgt. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Richtlinie?

Glück: Mit der Parlamentsposition, die im März gefunden wurde, sind wir überhaupt nicht zufrieden. Deshalb haben wir auch dagegen gestimmt. Im Juni sollen die Trilog-Verhandlungen zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Parlament beginnen. Das Ergebnis steht noch aus. Dieses Jahr wurde die Erweiterung des europäischen CO2-Zertifikatehandels ETS auf den Gebäudesektor beschlossen. Dieser Mechanismus ist wirksam. Daher gibt es meines Erachtens keinen Grund, mit der EPBD die ordnungspolitische Keule zu schwingen.

Welches grundsätzliche Problem sehen Sie?

Glück: Zwar sah es zu Beginn der Verhandlungen im Parlament noch schlimmer aus, dennoch ist die Grundproblematik bei der EPBD weiterhin vorhanden. Zunächst sollen alle Mitgliedstaaten ihren Gebäudebestand in Energieeffizienzklassen A bis G einteilen. Das bedeutet, dass Effizienzklasse D in Italien etwas ganz anderes bedeutet als in Dänemark. Länder, die bereits viel in Energieeffizienz investiert haben, werden bestraft. Darauf aufbauend werden strikte Sanierungsvorgaben gemacht. Bis 2033 müssen so knapp 45 Prozent des Gebäudebestands saniert werden. Von der Frage der Finanzierung abgesehen erscheint das auch angesichts von Fachkräfte- und Baustoffmangel unrealistisch. In der Position der Mitgliedstaaten wird dies deutlich flexibler gestaltet. Hier wird weniger jedes einzelne Gebäude betrachtet, sondern darauf abgezielt, dass der Gebäudebestand als Ganzes ein höheres Effizienzniveau erreicht.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Ärgernisse an der Position des Parlaments. So sollen eine Reihe von Indikatoren gemessen und erfüllt werden, die das Raumklima betreffen. Viele davon, wie zum Beispiel die Akustik oder Tageslichtverhältnisse, haben wenig bis gar nichts mit Energieeffizienz zu tun. Das Gleiche gilt für Vorgaben zu Fahrradstellplätzen und sogar Cargobikes. Kurzum, die EPBD in der aktuellen Form ist ein ordnungspolitisches und unrealistisches Bürokratiemonster.

Wofür haben Sie sich im Entstehungsprozess stark gemacht?

Glück: Klimaneutralität bei Gebäuden ist mit Sicherheit wichtig. Was mich stört, ist nicht das Ziel, sondern der Weg, wie er mit der EPBD eingeschlagen wird. Wie eben schon erwähnt, haben wir in diesem Jahr die Erweiterung des ETS beschlossen. Ab 2027 wird der ETS 2 somit auch den Gebäudebereich abdecken. Das war eine unserer Forderungen, und es ist ein großer Erfolg für den Klimaschutz. Der ETS hat als technologieoffenes Marktinstrument bewiesen, dass er funktioniert und zu weitgehenden CO2-Reduktionen führt. Durch den beständig steigenden CO2-Preis besteht ein wirtschaftlicher Anreiz, den Gebäudebestand zu dekarbonisieren. Häuser sind nun mal unterschiedlich und können nicht alle über den gleichen Kamm geschoren werden. Der ETS ermöglicht, dass Gebäude so saniert werden, wie es auch wirtschaftlich sinnvoll ist, da zunächst dort saniert wird, wo die CO2-Vermeidungskosten am geringsten sind. Statt aber die Wirkung des ETS abzuwarten, packt die Kommission mit der EPBD die ordnungspolitische Keule aus.

Wir haben uns zudem für den sogenannten Quartiersansatz eingesetzt. Dabei wird nicht jedes einzelne Haus betrachtet, sondern ein Quartier insgesamt. Auch dies gewährt ein gewisses Maß an Flexibilität und erlaubt die kosteneffiziente Sanierung. Tatsächlich gibt es im Text wenigstens einen eigenen Artikel zum Quartiersansatz. Dieser ermutigt lokale Behörden, Sanierungen im Sinne des Quartiersansatzes durchzuführen. Trotzdem gilt, Stand heute, die Sanierungspflicht für jedes Gebäude.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie für Eigentümer mit sanierungsbedürftigen Immobilien?

Glück: Problematisch wird der Sanierungszwang natürlich besonders für Eigentümer ohne entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten. Soll eine Immobilie verkauft oder vermietet werden, soll laut Entwurf ein valides Zertifikat über die Energieeffizienz vorliegen. Die Europäische Kommission drückt sich um die Beschreibung allerdings herum, was passiert, wenn ein Haus nicht der vorgegebenen Effizienzklasse entspricht und solch ein Zertifikat folglich nicht ausgestellt werden kann. Je nach Ausgestaltung der nationalen Umsetzung werden Eigentümer also in eine Kostenfalle gelockt.

Worauf kommt es Ihrer Meinung bei der Umsetzung in deutsches Recht an?

Glück: Besonders wichtig ist natürlich die eben beschriebene Situation, in der nicht klar ist, ob Immobilien nach wie vor vermietet oder verkauft werden können, wenn sie nicht den geforderten Effizienzvorgaben entsprechen. Über die deutsche Gesetzgebung muss Klarheit geschaffen werden, dass auch nicht sanierte Gebäude vermietet oder verkauft werden können. Hier muss der Gesetzgeber im Sinne der Eigentümer agieren, um nicht die öffentliche Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen zu gefährden. Bereits jetzt merke ich, wie viele Leute sich verständlicherweise resigniert abwenden.

Darüber hinaus sind im aktuellen Textvorschlag durchaus Ausnahmen vorgesehen. Mitgliedstaaten können beispielsweise entscheiden, die strikten Sanierungsvorschriften nicht für denkmalgeschützte oder ausschließlich temporär bewohnte Gebäude anzuwenden. Das gleiche gilt für Sozialwohnungen und Teile des Bestands der Wohngebäude. Es ist unabdingbar, dass auch in der deutschen Gesetzgebung diese Ausnahmen konsequent umgesetzt werden.

Wie geht es nun weiter mit dem Trilog-Verfahren?

Glück: Der Start für die Verhandlungen ist für Juni angesetzt. Vermutlich haben wir somit gegen Ende des Jahres ein Ergebnis. Wie bereits beschrieben, haben die Mitgliedstaaten einen deutlich flexibleren Ansatz gewählt. Deshalb habe ich die Erwartung, dass einige Vorschriften des Parlaments noch entschärft und besser an die Lebensrealität in Europa angepasst werden. Wir werden die Verhandlungen weiterhin eng verfolgen, sowohl von der Seite des Europäischen Parlaments als auch von der Seite des Rates. Dass Bauministerin Geywitz sich vor wenigen Wochen unserer Kritik an strikten Sanierungsvorgaben angeschlossen hat, ist bereits ein guter erster Schritt.

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