Der Wohnraummangel wird lediglich verwaltet

Mit einem groß angelegten Aktionstag hat Haus & Grund deutschlandweit auf die Missstände in der aktuellen Wohnungspolitik aufmerksam gemacht. Über 200 Ortsvereine und Landesverbände haben sich mit großformatigen Plakaten, Werbetrucks, die durch die Städte fuhren, und vielfältiger Pressearbeit an der Aktion beteiligt. Hintergrund ist der zweite Wohngipfel der Bundesregierung, die sogenannte „Bilanzveranstaltung mit der Bundeskanzlerin zur Wohnraumoffensive“, die am 23. Februar 2021 stattfand. Warum die Haus & Grund-Mitglieder nicht über die vermeintlichen Erfolge der Regierung mitjubeln können, erklärt Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, im Interview.

Was kritisieren Sie an der derzeitigen Wohnungspolitik?
Die zunehmende Mietenregulierung, die staatliche Wohnraumlenkung sowie die steigenden Bürokratielasten der vergangenen Jahre haben fatale Folgen, vor denen die Bundesregierung die Augen verschließt. Doch damit nicht genug. Derzeit erleben wir eine Flut von neuen Gesetzen, die der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit der Koalitionspartner suggerieren sollen. Zu nennen wären da beispielsweise die Verlängerung der Mietpreisbremse, das Mietenmoratorium oder das geplante Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen.

Was stimmt mit diesen Gesetzen nicht?
All diese Gesetze haben zwei Dinge gemein: Sie verwalten lediglich den Wohnungsmangel. Und sie geben keinerlei Anreize für den Mietwohnungsneubau. Genau das wäre aber so dringend nötig. Ein trauriger Höhepunkt dieser Politik ist der Berliner Mietendeckel. Der geht zwar nicht auf das Konto der Bundesregierung, macht aber die Konsequenzen dieses Politikstils deutlich. Er hat einen dramatischen Rückgang des Mietwohnungsangebots zur Folge, der mit einem sprunghaften Anstieg der zum Verkauf angebotenen Immobilien einhergeht. Der Berliner Mietwohnungsmarkt ist angespannter als je zuvor.

Wie konnte es dazu kommen?
Vor allem immer mehr private Kleinvermieter werfen die Flinte ins Korn und verkaufen ihre Immobilien. Es lohnt sich für sie nicht mehr zu vermieten; ihnen werden zu viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Übersehen wird nämlich, dass es ohne jegliche Rendite uninteressant ist, Immobilien zur Miete anzubieten. Dabei sprechen wir von einer durchschnittlichen Rendite von rund zwei Prozent bei den privaten Vermietern. Diese ist fair und nötig – vor allem angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen der Gebäudesektor steht: Bis 2050 soll der Bestand klimaneutral umgerüstet sein und auch die alternde Gesellschaft fordert riesige Investitionen in die vorhandenen Gebäude. Wer soll das alles schultern?

Wenn die privaten Vermieter aussteigen, wer übernimmt dann?
Käufer sind dann diejenigen, die eben nicht langfristig auf eine kleine Rendite setzen, sondern kurzfristig das Maximum aus einer Immobilie herausholen wollen. Das sind nicht selten große Kapitalgesellschaften, ohne Interesse für die Mieter, die Immobilien aus spekulativen Gründen erwerben. Und genau diese, denen die Große Koalition die Immobilien praktisch in die Hände treibt, fallen dann als sogenannte Miethaie auf und prägen das Bild vom Vermieter in Deutschland.

Deshalb die Plakataktion?
Genau. Dieser Ausverkauf des Wohnungsmarktes ist schlecht für alle Beteiligten. Der bewährte Mix aus kommunalen Unternehmen, Genossenschaften und privaten Eigentümern darf nicht verloren gehen. Daher fragen wir mit der Plakataktion, wer demnächst Vermieter in diesem Land sein soll – der Nachbar von nebenan oder ein Fonds von den Cayman Islands? Wenn Letzteres nicht gewünscht ist, muss sich die Bundesregierung endlich der Folgen ihres Handelns bewusst werden.

Was fordern Sie also von der Politik?
Ganz konkret: eine 180-Grad-Wende in der Wohnungspolitik. Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse müssen wieder Grundlage von wohnungspolitischen Gesetzen sein, nicht die Parteiprogrammatik. Die Vermietung von Wohnraum darf nicht so unattraktiv sein, dass Immobilien nur noch als Objekt für die internationalen Finanzmärkte interessant sind. Die nächste Bundesregierung muss zu einem Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern zurückfinden. Ansonsten werden wir lange auf Entspannungen auf dem Wohnungsmarkt warten müssen.

Interview von Anna Katharina Fricke
Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland

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