Auswirkungen der Nichtanzeige von Mängeln an der Mietsache durch den Mieter

Der Mieter ist verpflichtet, Mängel an der Mietsache dem Vermieter zu melden. Unterlässt er es aber, kann dies je nach konkreter Sachlage die unterschiedlichsten Konsequenzen nach sich ziehen.

Von Dr. Carsten Brückner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Nach überwiegender Ansicht ist der Vermieter nicht berechtigt, die Wohnung des Mieters ohne einen konkreten Anlass zu betreten und zu besichtigen. Insbesondere eine Regelung im Mietvertrag, nach der der Vermieter das Recht haben soll, einmal im Jahr die Mietsache ohne einen konkreten Anlass zu besichtigen ist unwirksam. Denn der Mieter hat ein Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden. (1)

Soweit der Vermieter im Zusammenhang mit einem allgemeinen – mithin nicht anlassbezogenen – Besichtigungsrecht einwendet, dass er mit der Inaugenscheinnahme sicherstellen möchte, dass sich die Mietsache in einem mangelfreien Zustand befindet, wird darauf hingewiesen, dass sich der Vermieter nicht selbst um das Auffinden von Mängeln an der Mietsache zu bekümmern hat, da die Mieter gesetzlich verpflichtet ist, Mängel an der Mietsache dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. (2)

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Ein Mangel in diesem Sinne ist nicht erst dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von dem vereinbarten Zustand zu Ungunsten des Mieters abweicht (3), sondern liegt in jeder signifikanten Verschlechterung des Mietobjekts, ohne Rücksicht darauf, ob dadurch die Brauchbarkeit der gemieteten Sache für den Mieter beeinträchtigt wird. Als Mangel gilt jedes Hervortreten eines schlechten Zustands der Mietsache, der dem Vermieter Anlass zum Eingreifen geben kann. (4) Daraus folgt, dass der Mieter dem Vermieter jede Veränderung an der Mietsache umgehend mitzuteilen hat (5), damit der Vermieter die Mietsache bzw. den ihm angezeigten Umstand an der Mietsache in Augenschein nehmen und entscheiden kann, ob Erhaltungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Das Interesse des Vermieters an der Kenntniserlangung eines Mangels umfasst insbesondere

  • den Erhalt der Mietsache in der Substanz,
  • den Erhalt des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache als Hauptleistungspflicht des Vermieters,
  • die Vermeidung der Entstehung weiterer Rechte (6) und Ansprüche (7) des Mieters.

Obwohl auch in vielen Mietverträgen eine entsprechende Verpflichtung des Mieters zur Mangelanzeige aufgenommen ist, bleiben entsprechende Anzeigen an den Vermieter in laufenden Mietverhältnissen regelmäßig aus. Die Ursachen für solche unterbliebenen Nichtanzeigen können vielfältig sein. Die Pflicht des Mieters zur Anzeige von Mängeln besteht unabhängig davon, ob der Mangel auf einem schuldhaften vertragswidrigen oder einem vertragsgerechten (8) Verhalten des Mieters beruht.

Oftmals werden Mängel an der Mietsache dem Vermieter erst am Ende der Mietzeit zum Zeitpunkt der Herausgabe der Mietsache bekannt. Die Behauptung des Mieters, dass ein Mangel bereits bei Beginn der Mietsache vorhanden gewesen sei, lässt sich durch die Erstellung eines Zustands- oder auch Übergabeprotokolls für den Zeitpunkt der erstmaligen Überlassung der Mietsache leicht widerlegen.

Schwieriger ist es, wenn der Mieter über den Zeitpunkt der Entstehung des Mangels keine Angaben macht; dann ist der Nachweis über die Entwicklung des Schadens besonders schwer zu führen. Dieser Umstand ist jedoch für etwaige Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter von entscheidender Bedeutung. Denn je älter der ursprüngliche Mangel ist, um so eher kommt ein Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz gegen den Mieter in Betracht.

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Ein Unterlassen der Anzeige des Mangels durch den Mieter sanktioniert das Gesetz sowohl mit dem Ausschluss von Mängelrechten (9) als auch mit einem Schadensersatzanspruch des Vermieters gegenüber dem Mieter. Unterlässt der Mieter die Anzeige eines Mangels, so ist er dem Vermieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (10) Voraussetzungen für ein Schadensersatzanspruch in diesem Sinne ist, dass

  • der Mieter einen ihm bekannten Mangel dem Vermieter nicht bzw. nicht unverzüglich dem Vermieter angezeigt hat,
  • sich der Mangel seit der Nichtanzeige vergrößert hat,
  • die Verschlechterung des Mangels ihren Grund darin hat, dass die Mangelbeseitigung des Vermieters aufgrund der verspäteten Anzeige des Mieters verzögert wird,
  • der wirtschaftliche Aufwand für die Beseitigung des aktuellen Mangels größer ist als der wirtschaftliche Aufwand für die Beseitigung des Mangels zum Zeitpunkt der geschuldeten Anzeige beim Vermieter.

Beispiel: Der Vermieter stellt im Zuge von Renovierungsmaßnahmen in einer Erdgeschosswohnung in der Decke zum 1. Obergeschoss erhebliche Feuchtigkeit fest. Der Mieter im 1. Oberschoss räumt auf Nachfrage ein, dass die Silikonverfugung der Duschtasse bereits seit längerem brüchig und teilweise nicht mehr vorhanden ist, sodass Wasser beim Duschen zwischen Duschtasse und Mauerwerk gelangt und dann in die Decke zwischen den beiden Geschossen eingedrungen ist.

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Kann der Vermieter die Verschlechterung des Mangels nicht aus eigener Sachkenntnis nachweisen, bedarf es der Hinzuziehung einer entsprechenden Fachkraft. Die Beauftragung eines solchen Gutachters erfordert weitere Kosten, ohne dass bereits bei dessen Beauftragung feststeht, dass sich der Mieter durch sein Verhalten schadensersatzpflichtig gemacht hat. Das wird letztendlich durch den Gutachter geklärt. Denn fehlt es an Angaben des Mieters zum Schadensverlauf, ist auf das Erscheinungsbild des Mangels abzustellen.

Der Gutachter sollte feststellen

  • wann der Schaden entstanden ist,
  • ob der Mangel für den Nutzer/Mieter der Mietsache feststellbar war,
  • wie sich der Schaden seit seiner Entstehung verändert/verschlechtert hat,
  • wie hoch der wirtschaftliche Aufwand für die Beseitigung des Schadens bei seinem erstmaligen Eintritt ist,
  • wie hoch der wirtschaftliche Aufwand für die Beseitigung des Schadens zum aktuellen Zeitpunkt ist,
  • ob der festgestellte Zeitablauf für die Verschlechterung des Mangels kausal ist.

Für die vorgenannten Punkte trägt der Vermieter bei der Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs die Darlegungs- und Beweislast.

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Bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aufgrund eines notwendig gewordenen Austauschs einer Sache ist immer zu berücksichtigen, dass nicht der Neuwert der beschädigten Sache, sondern nur der Zeitwert als Schaden beansprucht werden kann. (11) Daraus folgt, dass auch zu ermitteln ist, wann die infragestehende Einrichtung der Wohnung angeschafft wurde und wie lange die durchschnittliche Gebrauchsdauer ist. Als Schaden kann lediglich der Wert für die noch ausstehende Gebrauchszeit geltend gemacht werden.

Beispiel: Im Zuge einer Badmodernisierung im Jahre 2012 wird eine neue Badewanne eingebaut. Das danach abgeschlossene Mietverhältnis endet mit Ablauf des 30. November 2023. Bei der Herausgabe der Wohnung wird festgestellt, dass die Wanne ausgetauscht werden muss, da sie einen irreparablen Schaden aufweist. Der Schaden ist nicht auf ein vertragsgemäßes Verhalten zurückzuführen. Die Gebrauchsdauer einer Badewanne beträgt durchschnittlich 25 Jahre. Da seit dem Einbau elf Jahre vergangen sind, kann der Vermieter einen Schaden in Höhe von 14/25 des Neuwerts gegenüber dem Mieter geltend machen. (12) Müssen im Zusammenhang andere Gegenstände ebenfalls ausgetauscht werden (zum Beispiel Fliesen im Badezimmer, deren durchschnittliche Nutzungsdauer mit 35 Jahren angenommen werden kann), unterliegen diese Fristen für die Gebrauchszeit.

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Weist die Mietsache zum Zeitpunkt der Rückgabe an den Vermieter Schäden auf, aus denen der Vermieter Schadensersatzansprüche geltend zu machen beabsichtigt, ist die hierfür zur Verfügung stehende kurze Verjährungsfrist zu beachten. Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. (13) Dem Vermieter steht somit nicht viel Zeit zur Verfügung, um festzustellen, ob ihm Ansprüche aus dem beendeten Mietvertragsverhältnis zustehen und die Anspruchsverfolgung gegen den Mieter einzuleiten.

Unterbrochen wird der Lauf der Verjährung nur durch bestimmte vom Gesetz abschließend genannte Handlungen, insbesondere durch die gerichtliche Geltendmachung des Schadens. (14) Auch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens (15), das den vom Vermieter vorgefundenen mangelhaften Zustand der Mietsache für ein späteres gerichtliches Verfahren verbindlich dokumentiert, hat eine entsprechende Unterbrechungswirkung.

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Ein Schaden ist bereits dann eingetreten und kann vom Vermieter geltend gemacht werden, wenn die Beeinträchtigung der Substanz festgestellt ist. Nicht erforderlich ist, dass der Vermieter diese Beeinträchtigung auch wieder beseitigt.

Beispiel: Der Vermieter beabsichtigt, im Zuge der Reparatur nicht erneut eine Badewanne einzubauen, sondern eine barrierefreie Dusche. Zum Nachweis des Schadens holt der Vermieter ein Kostenangebot für den Austausch der Badewanne ein. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs kann auf ein Kostenangebot für die erforderlichen Maßnahmen gestützt werden; die Vorlage einer Rechnung ist nicht erforderlich. (16) Wird der Schaden auf diese weise „fiktiv“ geltend gemacht, kann die nicht angefallene Umsatzsteuer nicht als Schaden in Ansatz gebracht werden. (17)

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Die Kosten für die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs zählen mit zum Schaden. Der Vermieter muss mit den Kosten zunächst in Vorleistung gehen und diese dann bei der Geltendmachung des Schadens berücksichtigen.

(1) BGH, Urteil vom 24.06.2014 – VIII ZR 289/13, Tz. 18 mit Verweis auf BVerfG.
(2) § 536c Absatz 1 Satz 1 BGB.
(3) So die Definition des Mangels im Sinne des § 536 BGB.
(4) BGH, Urteil vom 04.04.1977 – VIII ZR 143/75, NJW 1977, 1236, 1237.
(5) § 536 Absatz 2 Satz 1 BGB.
(6) Minderungsrecht, Zurückbehaltungsrecht, Kündigungsrecht.
(7) Ansprüche auf Mangelbeseitigung, Schadensersatz und Aufwendungsersatz.
(8) Geht die Verschlechterung der Mietsache auf einen vertragsgemäßen Gebrauch durch den Mieter zurück, kann der Mieter hierfür nicht haftbar gemacht werden, § 538 BGB. Das gilt jedoch nur für den Mangel in seiner Ausgangsform, da die Nichtanzeige des Mangels kein vertragsgemäßes Verhalten mehr darstellt.
(9) § 536c Absatz 2 Satz 2 BGB.
(10) § 536c Absatz 2 Satz 1 BGB.
(11) Sogenannter Vorteilsausgleich oder auch Abzug neu für alt; BGH, Urteil vom 21.08.2019 – VIII ZR 263/17 Tz. 17, 18 für eine 30 Jahre alte Tapeten.
(12) Das gilt für den Fall, dass auf den Zeitpunkt der Feststellung des Schadens abgestellt wird; kann der Gutachter jedoch einen früheren Zeitpunkt bestimmen, zu dem von einer irreparablen Beeinträchtigung auszugehen ist, kann auf diesen früheren Zeitpunkt abgestellt werden, wonach sich auch die Quote für den Schadensersatz des Mieters verschiebt.
(13) § 548 Absatz 1 BGB.
(14) § 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB.
(15) § 204 Absatz 1 Nr. 7 BGB.
(16) BGH, Beschluss vom 10.05.2022 – VIII ZR 277/20, Tz. 14.
(17) § 249 Absatz 2 Satz 2 BGB.

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