Auslegung von Beschlüssen zu WEG-Wirtschaftsplänen

Seit der großen WEG-Reform im Jahr 2020 beschließen Wohnungseigentümergemeinschaften gemäß § 28 Absatz 1 WEG nicht mehr über die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne, sondern nur noch über die Vorschüsse. Viele Verwalter stellen aber dennoch weiterhin die gesamten Pläne zur Abstimmung.

Das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 30. August 2022 (55 S 7/22 WEG) nun entschieden, dass solche Beschlüsse dahingehend ausgelegt werden können, dass lediglich die Vorschüsse und nicht das den Wirtschaftsplänen zugrundeliegende Rechenwerk genehmigt wurden.

Die Beschlüsse
In einer Eigentümerversammlung wurden laut der Niederschrift „die vorgelegten Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für 2021 zur Beschlussfassung gestellt“ sowie beschlossen, „dass der Wirtschaftsplan für 2021 auch für das Jahr 2022 gültig sein soll“. Schon das erstinstanzliche Amtsgericht sah in diesen Beschlüssen lediglich eine Festlegung der in den Einzelwirtschaftsplänen ermittelten Vorschüssen für beide Jahre, nicht jedoch eine Genehmigung des zugrunde liegenden Rechenwerks. Der für die Berufung zuständige Landgerichtsrichter folgte dieser Bewertung.

Objektive Auslegung ist entscheidend
Entscheidend hierfür war nicht der Wortlaut der Beschlüsse. Den hielt der Richter nicht für eindeutig, da aus der Textfassung nicht hervorging, ob nur über die Vorschüsse abgestimmt oder ob auch das Rechenwerk als sachlich und rechnerisch zutreffend genehmigt werden sollte. Daher musste der Beschluss ausgelegt werden. Maßgeblich sei hierfür, wie ein solcher Beschluss für einen unbefangenen Betrachter objektiv zu verstehen sei. Insoweit spielte es für den Richter auch keine Rolle, ob in der konkreten Eigentümerversammlung die Änderung des § 28 WEG angesprochen wurde oder wie einige an der Abstimmung beteiligte Wohnungseigentümer den Beschluss verstanden haben.

Aus objektiver Sicht sei die nächstliegende Deutung der Beschlüsse aber, dass ein Beschluss gefasst werden sollte, der den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Vorschriften entspräche. Da auch keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, dass die Gemeinschaft mit der Beschlussfassung über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Regelungen treffen wollte, könne der Beschluss nur als Genehmigung der Vorschüsse betrachtet werden.

Praxistipp
Zwar zeigt das Berliner Urteil, dass die Richterschaft gewillt ist, pragmatische Lösungen zu finden, um Verwaltern und Gemeinschaften, die die WEG-Reform noch nicht verinnerlicht haben, nicht reihenweise die Beschlüsse zu den Vorschüssen (und wohl auch den Abrechnungsspitzen) für ungültig zu erklären. Dennoch sollten alle Beteiligten darauf achten, dass die Beschlussvorlagen richtig formuliert werden, um so keine unnötige Angriffsfläche für Anfechtungen zu liefern.

Gerold Happ, Geschäftsführer Immobilien- und Umweltrecht Haus & Grund Deutschland

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