Achtung bei der Überlassung von Wohnraum an Familienangehörige

Wie in jedem Wirtschaftszweig ist auch der Bereich der Vermietung und Verpachtung anfällig für steuerstrafrechtliche Risiken. Dies gilt insbesondere, wenn Vermieter ihren Familienangehörigen etwas Gutes tun wollen und dabei vermeidbare Risiken eingehen.

Von Dr. Andrew Patzschke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Steuerrecht

Die Verteidigung mit der Argumentation, man hätte von der Problematik keinerlei Kenntnis, wird im Ergebnis nicht weiterhelfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) steht auf dem Standpunkt, dass Steuerpflichtige fachkundigen Rat einzuholen haben. Unterlässt der Steuerpflichtige dies, geht die Rechtsprechung von einem zumindest, allerdings auch ausreichenden, bedingten Vorsatz aus.

Unterschreitung der ortsüblichen Miete
Die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken an Familienangehörige muss grundsätzlich einem sogenannten Fremdvergleich standhalten. Vermieter müssen sich also fragen, zu welchem regulären Mietzins die Wohnung hätte vermietet werden können. Das Einkommensteuergesetz (EStG) (1) formuliert es wie folgt: Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich. Für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass nicht die Kaltmiete, sondern die ortsübliche Warmmiete zugrundezulegen ist – mithin die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) umlagefähigen Kosten.

Bei einer Unterschreitung der ortsüblichen Bruttomiete um weniger als 66 Prozent, ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Konsequenterweise sind die Werbungskosten auch nur im jeweiligen Verhältnis in Abzug zu bringen. Unterschreitet der Vermieter nunmehr die marktübliche Bruttomiete, zum Beispiel um 60 Prozent (bei Familienangehörigen nicht unüblich), bringt allerdings 100 Prozent der Werbungskosten in Ansatz, macht er zu Unrecht 40 Prozent der Werbungskosten geltend und verwirklicht somit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung. Beträgt das Entgelt allerdings mehr als 66 Prozent der ortsüblichen Bruttomiete, ist von einer Entgeltlichkeit auszugehen, sodass auch 100 Prozent der Werbungskosten in Abzug zu bringen sind. (2)

Scheinmietvertrag
In einem Verfahren erkannte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg einen sogenannten Scheinmietvertrag. Dieser Feststellung lag ein Mietvertrag zwischen Mutter und Sohn zugrunde, der keinerlei Vereinbarungen über den Zeitpunkt und Höhe von Nebenkostenvorauszahlungen enthielt. Über Jahre hinweg forderte der Vermieter keinerlei Nebenkosten vom Mieter an. Ferner hatte der Vermieter uneingeschränkten Zugang zur vermieteten Wohnung, sodass er nach Überzeugung des Gerichts die Wohnung gleichberechtigt mitnutzte. (3) Das Gericht wertete den Mietvertrag als Scheinvertrag und sah die Einbeziehung des Mietvertrags in die Veranlagung zur Einkommensteuer als Steuerhinterziehung an.

Ein solcher Vertrag hält keinem Fremdvergleich stand. Der Grund für den Verdacht einer Steuerhinterziehung liegt in dem unberechtigten Werbungskostenabzug, der zu versagen ist, weil es sich nicht um einen marktüblichen Mietvertrag handelt.

Nichtversteuerung der Mieteinkünfte
Es liegt auf der Hand, dass Mieteinkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern sind. Die eventuell bestehende Überlegung, „das Finanzamt bekomme die Vermietung nicht mit“, geht weit überwiegend fehl. Reicht der Mieter nämlich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung zum Beispiel die Nebenkostenabrechnung als Belege für haushaltsnahe Dienstleistungen ein, kann das Finanzamt die Mieteinkünfte des Vermieters selbst prüfen. Stellt das Finanzamt dann fest, dass die vermietete Einheit unbekannt ist, wird ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.

Unentgeltliche Wohnraumüberlassung
Vor dem Hintergrund, dass eine unentgeltliche Überlassung zu keinerlei Einnahmen führt, ist der Vorgang auch nicht in der Einkommensteuer zu berücksichtigen. Es besteht allerdings die Problematik, dass derjenige, dem die Wohnung überlassen worden ist, die ortsübliche Miete spart. In dieser Konstellation könnte es sich um eine Leihe oder um eine Schenkung handeln, wobei letztere die Schenkungsteuer auslösen könnte. Zwar haben die BFH-Senate für Kapitaleinkünfte bislang entschieden, dass es sich um eine Leihe handelt, allerdings hat der für Schenkungsteuer zuständige Senat des BFH noch keine Entscheidung getroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtsprechung der Finanzgerichte in diesem Zusammenhang uneinheitlich ist.

Sollte die Finanzverwaltung von einer Schenkung ausgehen, ist zu berücksichtigen, dass die Höhe des Freibetrags vom Verwandtschaftsgrad abhängt. Während bei Ehegatten und Lebenspartnern ein Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro zur Verfügung steht (4), beträgt der Freibetrag für Kinder 400.000 Euro (5). Bei Schwiegereltern, Geschwistern, Abkömmlingen ersten Grades von Geschwistern oder dem geschiedenen Ehegatten (6) steht lediglich ein Freibetrag in Höhe von 20.000 Euro zur Verfügung. Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, dass dieser Freibetrag alle zehn Jahre zur Verfügung steht – es sind mithin sämtliche Zuwendungen über einen Zeitraum von zehn Jahren zusammenzurechnen (7).

Insbesondere bei Schenkungen an Personen mit der Steuerklasse II ist zu berücksichtigen, dass der Freibetrag von 20.000 Euro innerhalb von zehn Jahren nicht überschritten wird. Sollte die unentgeltliche Wohnraumüberlassung allerdings durch die Finanzverwaltung als Schenkung gewertet werden, wird der Freibetrag unter Berücksichtigung der ortsüblichen Miete über einen Zeitraum von zehn Jahren schnell überschritten. In derartigen Konstellationen wäre die Zuwendung gegenüber dem Finanzamt zu erklären, anderenfalls wird der Straftatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht.

Die unentgeltliche Wohnraumüberlassung ist vor dem Hintergrund divergierender Rechtsprechung erheblich problematisch. Eine mögliche Sicherheit kann hier lediglich eine rechtsverbindliche Auskunft des Finanzamts bieten. Eine solche Auskunft bietet in strafrechtlicher Hinsicht eine gewisse Sicherheit, da hierdurch zumindest der Vorsatz für eine Steuerhinterziehung ausgeschlossen werden kann. In steuerrechtlicher Hinsicht ist das Finanzamt grundsätzlich an die Auskunft gebunden, kann aber von dieser abweichen – so zum Beispiel, wenn sich die Rechtslage geändert oder sich der Beamte schlichtweg geirrt hat, im letzteren Fall aber nur für die Zukunft.

Ausweg
Stellt sich nach Prüfung der steuerlichen Rechtslage heraus, dass ein strafrechtliches Risiko verwirklicht worden ist, ist die Selbstanzeige gemäß der Abgabenordnung (AO) (8) das Mittel der Wahl, um in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren und Straffreiheit zu erlangen. Die strafbefreiende Wirkung tritt allerdings nur ein, wenn der Steuerpflichtige die aufgrund der Selbstanzeige festgesetzten Steuern fristgemäß abführt. Eine weitere zwingende Voraussetzung ist die Vollständigkeit der Selbstanzeige. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen (9). Sollte sich im Rahmen des Steuerstrafverfahrens, das aufgrund der Selbstanzeige automatisch eingeleitet wird, herausstellen, dass noch weitere Angaben unzutreffend waren, besteht das Risiko einer weiteren Strafverfolgung.

(1) § 21 Abs. 2 EStG

(2) § 21 Abs. 2 S. 2 EStG

(3) FG Berlin-Brandenburg Aktenzeichen 9 K 9009/08

(4) § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

(5) § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

(6) Steuerklasse II gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG

(7) § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG

(8) § 371 AO

(9) § 371 Abs. 1 AO