Abschreibung für Abnutzung (AfA): Im Streitfall muss ein Gutachten entscheiden

Gute Nachricht für alle, die sich mit dem Finanzamt um die Frage der Kaufpreisaufteilung im Zusammenhang mit der Abschreibung für Abnutzung (AfA) streiten. Die sogenannte „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück“ des Finanzministeriums ist nicht Maß aller Dinge.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem am 26. November 2020 veröffentlichten Urteil vom 21. Juli 2020 (IX R 26/19) entschieden, dass eine unrealistische vertragliche Kaufpreisaufteilung zwischen Grundstück und Gebäude nicht einfach durch die in der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums (BMF) ermittelte Aufteilung ersetzt werden darf. Das Finanzgericht muss stattdessen im Streitfall ein Sachverständigen-Gutachten einholen.

Der Fall: Die Klägerin hatte im Jahr 2017 eine vermietete Eigentumswohnung in einer Großstadt zum Kaufpreis von 110.000 Euro erworben. Laut Kaufvertrag entfielen 20.000 Euro auf das Grundstück, der übrige Betrag wurde der Wohnung zugerechnet. Daraus ergab sich für Abschreibungszwecke ein Gebäudeanteil von rund 82 Prozent. Steuerlicher Hintergrund: In aller Regel sind nur Gebäude abschreibungsfähig, Grund und Boden mangels Abnutzung nicht.

Finanzamt veranschlagt nur 31 Prozent Gebäudeanteil
Finanzämter neigen daher gern dazu, den Gebäudeanteil an den Erwerbskosten niedriger anzusetzen, um die AfA zu drücken. Das Finanzamt veranschlagte folglich auch nur einen Gebäudeanteil von rund 31 Prozent auf Basis der vom Bundesfinanzministerium (BMF) im Internet bereitgestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“. Dem schloss sich das Finanzgericht an, denn die Arbeitshilfe aus dem BMF sei ein geeignetes Wertermittlungsverfahren, um die Marktangemessenheit einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, zugleich aber auch eine geeignete Schätzhilfe.

BFH gibt Eigentümerin recht
Das sah der BFH anders und gab der Wohnungseigentümerin recht. Sein Argument: Die Arbeitshilfe des BMF gewährleiste die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäuden nicht. Die Aufteilungshilfe reduziere in unzulässiger Weise die verschiedenen denkbaren Bewertungsmethoden auf eine einzige (vereinfachtes Sachwertverfahren) und unterschlage den vor allem in großstädtischen Ballungsräumen relevanten Orts- oder Regionalisierungsfaktor bei der Ermittlung des Gebäudewerts.

Gutachten in strittigen Fällen nötig
Im Endergebnis muss das Finanzgericht in Streitfällen also in der Regel ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einholen und darf nicht automatisch auf die Ergebnisse der Kaufpreis-Aufteilungshilfe aus dem Ministerium verweisen.

Sibylle Barent
Leiterin Steuer- und Finanzpolitik Haus & Grund Deutschland

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