Vertragen statt klagen. Außergerichtliche Streitbeilegung: Das Schiedsamt

Die Kleinreparatur oder Heizkostennachzahlung zu 95 Euro wird nicht bezahlt. Mieterschuhe und sonstige Gegenstände stehen ständig im Hausflur. Die Miete kommt schon das dritte Mal unpünktlich. Das nervt und belastet das Mietverhältnis. Der Amtsrichter nimmt einen mit Klagen zu solchem „Kleinkram“ nicht wirklich ernst. Einen Rechtsanwalt zu finden, für den sich so ein Mini-Auftrag lohnt, ist auch nicht leicht. Doch für den Mieter ist das bereits „richtiges Geld“ und er kämpft mit voller Kraft darum.

Während beim Streit mit Banken oder Versicherungen der jeweilige „unabhängige Ombudsmann“ schlichten kann – oder bei Streit mit dem Strom- oder Gasversorger die Schlichtungsstelle Energie – fühlt man sich als Vermieter im Streit mit Mietern erst einmal allein auf weiter Flur. Dabei hat der Gesetzgeber eine Institution geschaffen, die neutral und unabhängig unter anderem in genau solchen Lagen weiterhilft: Das Schiedsamt. In Neukölln gibt es gleich sieben davon, aktuell für jeden Wahlkreis zum Abgeordnetenhaus eines.

Schiedsamt ist Ehrenamt
Für das Ehrenamt vereidigt, tragen Schiedspersonen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Privatpersonen bei und können auch in bestimmten Deliktfällen des Strafrechts tätig werden. Sie bereiten selbständig Schlichtungs- und Sühneverhandlungen vor, führen diese mit den Beteiligten nicht öffentlich durch und dokumentieren Vorbereitung, Durchführung und Ergebnis.

Schiedspersonen sind völlig unparteiisch und haben einen Eid auf die Amtsverschwiegenheit abgelegt. Nur hier gibt es eine amtliche Bescheinigung der eventuellen Erfolglosigkeit eines Schlichtungsversuches. Diese ist gegebenenfalls zur Vorlage bei Gericht notwendig. Für das Schiedsverfahren ist die Schiedsperson örtlich zuständig, in deren Amtsbezirk die „Gegenpartei“ des Antragstellers wohnt. Die beteiligten Parteien können eine abweichende örtliche Zuständigkeit vereinbaren.

Rasch und einvernehmlich
Wer in Berlin schon einmal Klage erhoben hat, weiß: Das kann dauern. Monate in jedem Fall, gelegentlich auch Jahre. Berlins Schiedsämter hingegen werden (noch) wenig genutzt. Ist der Kostenvorschuss gezahlt, setzt das Schiedsamt rasch einen Termin an und zieht das Schiedsverfahren zügig durch.

Für das weitere Mietverhältnis ist wichtig, dass es keine Sieger und Besiegten gibt. Während vor Gericht geklärt wird, wer Recht hat, versucht das Schiedsamt, die Streithähne zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen. Und ist diese gefunden, dann spielt das Schiedsamt einen Trumpf aus, den keine andere Schiedsstelle hat: Das Dienstsiegel der Schiedsperson macht den Schiedsvergleich zu einem „Titel“. Dieser hat den gleichen rechtlichen Wert wie ein Gerichtsurteil. Er kann durch Gerichtsvollzieher vollstreckt werden und verjährt dreißig Jahre lang nicht.

Vergleich ist Kompromiss
Nobody is perfect: Vergleiche sind natürlich nichts für Rechthaber. Das Schiedsamt beurkundet nichts, bei dem sich eine Partei zu 100 Prozent durchsetzt. Doch auch wenn Sie sich auf Zahlungsaufschub, Ratenzahlung oder Verzugszinsverzicht einlassen, gewinnen Sie am Ende nicht nur finanziell oft mehr, als wenn Sie bei Gericht durchmarschieren.

Denn die Kosten für Anwälte und Gerichtsverfahren können einem die Freude über den gewonnenen Prozess schnell vergällen. Je kleiner der Streitwert, desto größer das finanzielle Risiko, wenn man vor Gericht klagt, statt das Schiedsamt zu bemühen. Gerade für kleine Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter lohnt sich das Schiedsamt auch finanziell.

Keine Kompromisse gibt es übrigens bei der Frage, ob man am Schiedsverfahren teilnimmt: Wer sich verweigert oder unentschuldigt der Schiedsverhandlung fernbleibt, dem droht ein Ordnungsgeld von 10 bis zu 75 Euro.

Kostengünstig
Die Gebührentabelle ist kurz: Die Schlichtungsgebühr beträgt bei einem Vergleich 20 Euro und bei Erfolglosigkeit 10 Euro. Die Gebühr kann im Einzelfall bei schwierigen Fällen auf höchstens 38 Euro erhöht werden. Dazu kommen Kosten für Schreibauslagen und Porto. Der Antragsteller muss dafür bei Antrag einer Schlichtung einen Kostenvorschuss in Höhe von 40 bis 70 Euro zahlen.

Noch Fragen offen? Die Neuköllner Schiedsleute beraten Sie gerne: www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-und-verwaltung/aemter/amt-fuer-buergerdienste/wahlamt

Vorteile Schiedsverfahren

  • Schiedsgebühr: Unabhängig vom Streitwert höchstens 38 Euro zzgl. Auslagen sehr kostengünstig.
  • Wird nach Eingang des Kostenvorschusses unverzüglich eingeleitet, also sehr schnell.
  • Keine Sieger und Besiegten, sondern mit einem Vergleich nur Sieger.
  • Vergleich: als Titel 30 Jahre lang vollstreckbar. Mehr bekommen Sie vor Gericht auch nicht.

Vergleich Gericht – Schiedsamt

Zwei Streitparteien, Streitwert: 100 Euro

  • Gericht: 506,21 Euro (Eigene Anwaltskosten: 222,63 Euro; fremde Anwaltskosten 169,58 Euro, Gerichtskosten: 114 Euro)
  • Schiedsverfahren: 20 Euro plus Auslagen

Quellen: DAV-Prozesskostenrechner (gerichtlich und außergerichtlich), Schiedsamtsgesetz

Schiedsbezirke Neukölln

  1. Nord-Neukölln (Ost), nördliche Sonnenallee
  2. Nord-Neukölln (West), nördliche Karl-Marx-Straße, nördliche Hermannstraße
  3. Rixdorf, nördliches Britz, Köllnische Heide
  4. nordöstliches Buckow, Gropiusstadt, nördliches Blumenviertel
  5. südwestliches Britz, südwestliches Buckow
  6. Rudow, südliches Blumenviertel, südliche Gropiusstadt

Malte Priesmeyer,
seit März 2021 Schiedsmann für Britz-Nord, Rixdorf und Köllnische Heide, seit 2011 Mitglied bei Haus und Grund, seit 2018 in Neukölln

Vortrag zum Thema auf der Mitgliederversammlung am 10.11.2021

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